Wie kommen die von Menschenhandel betroffenen Frauen nach Österreich? Warum lassen sie sich auf all das ein? Warum laufen sie nicht einfach weg? Wir bekommen viele Fragen über unsere Trainees und merken, dass es noch erhebliche Vorurteile und Fehlvorstellungen zum Thema Zwangsprostitution gibt. Deshalb möchten wir hier Joanas Geschichte erzählen. In Hoffnung auf ein Studium in Europa kam sie in die Fänge von Menschenhändlern und wurde in Österreich zur Prostitution gezwungen.
Der Wunsch auf ein Studium in Europa
Joana wuchs mit sechs Geschwistern in Nigeria auf. Eines Tages sprach eine Frau aus ihrem Viertel sie an. Im Gespräch erwähnte diese, dass sie für Joana eine Überfahrt nach Europa organisieren könne. Für die junge Frau wäre im Ausland zu studieren eine riesige Chance, die sich ihre Eltern nicht leisten könnten. Nach mehreren Gesprächen willigte Ihre Familie daher schließlich ein.
In westafrikanischen Ländern werden Verträge oft mit einem Juju-Schwur besiegelt. Auch Joana musste zu einem Priester gehen und ein rohes blutiges Hühnerherz mit Alkohol essen. Ihr wurde erzählt, dass dieses Ritual zum Schutz vor weißen Menschen diene.
Der Traum wird zum Alptraum
Von der Frau bekam sie anschließend die nötigen Papiere und konnte endlich nach Europa reisen. Ihr Traum entpuppte sich bei der Ankunft jedoch augenblicklich als Albtraum. Die großzügie erscheinende Frau war eigentlich eine “Madame” (weibliches Äquivalent eines Zuhälters) und zwang Joana in der Prostitution zu arbeiten, um die Kosten für die Reise zurückzuzahlen. Ihre angeblichen Schulden beliefen sich nun auf 30.000€.
Die Madame hatte sie wegen des Juju-Schwurs in der Hand und setzte sie unter Druck. Sie ließ Joana glauben, dass sie oder ihre Familie sterben würde, wenn sie nicht gehorchen und zur Polizei gehen würde. Joana kannte außer der Madame niemanden in Österreich, sprach die Sprache nicht und wurde dadurch zu einer Tätigkeit gezwungen, die sie hasste. Jegliche Einnahmen wurden ihr abgenommen, um die „Schulden“ zu begleichen. Sie fühlte sich machtlos und einsam.
Die Befreiung und der Neuanfang
Als es im Etablissement, in dem sie arbeiten musste, eine Polizeikontrolle gab, stellte sich heraus, dass ihre Papiere gefälscht waren. Eigentlich sollte Joana nach Nigeria ausgewiesen werden. Doch sie hatte Glück, wurde nach Traiskirchen gebracht und konnte einen Antrag auf Asyl stellen. Trotz ihrer Sorge wegen des Juju-Schwurs, begann sie sich zu öffnen. Ein Sozialarbeiter stellte Kontakt zu einem afrikanischen Priester her, der für sie und die Befreiung von dem Fluch betete.
Joana lebte anschließend in einem Schutzhaus und wurde darüber an HOPE FOR THE FUTURE vermittelt. Von Sozialarbeiter*innen begleitet, ist es ihr gelungen, sich selbst ein neues Leben aufzubauen. Als sie zu uns kam, war Joana gerade einmal 17 Jahre alt. Sie arbeitete bei uns als Trainee und half engagiert mit, Taschen und Rucksäcke für unseren Online-Shop herzustellen. Außerdem lernte sie fleißig Deutsch und nahm an verschiedenen Workshops teil. Obwohl ihr die Näharbeit Spaß machte, wollte sie ihren eigenen Weg gehen. Heute arbeitet Joana in einer Küche und kann ihrer Leidenschaft, dem Kochen, von Herzen nachgehen.
Die Geschichte, die Joana uns erzählte, haben wir schon von vielen nigerianischen Frauen gehört, die von Zwangsprostitution betroffen waren. Der Juju-Schwur, die netten Frauen, die den Mädchen ein Leben in Europa versprechen und die Madames – das alles gehört zur Masche der Menschenhändler. Was wie der Inhalt eines Thrillers klingt, betrifft tausende von nigerianischen Frauen, die auf diesem Wege in Europa landen.
Die wenigsten können ihrem Schicksal entkommen und einige arbeiten anschließend teilweise selbst als Madame, da sie kein anderes Leben kennen. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen möchten wir Aufklärungsarbeit leisten und diesen Frauen eine Perspektive für ihre Zukunft aufzeigen. Die Trainees können bei uns das Nähen und verschiedene Handarbeitstätigkeiten erlernen. Außerdem wird ihnen kostenloser Deutschunterricht und verschiedene Workshops geboten, um das Selbstbewusstsein zu stärken und ihre Erlebnisse zu verarbeiten.Mit Facebook verbinden