Zwischen Stethoskop und Stress: Ausbeutung im Medizinstudium 

2024 haben sich in Österreich insgesamt 15.158 für den Medizin-Aufnahmetest, kurz MedAT, beworben. Im Schnitt erhält jedoch nur jede:r Achte einen Studienplatz. Diejenigen, die sich gegen die harte Konkurrenz durchsetzen können, erwartet im letzten Abschnitt ihres Studiums das sogenannte Klinisch-Praktische Jahr (KPJ). In der Theorie bildet es den Übergang von der akademischen Ausbildung zur praktischen ärztlichen Tätigkeit. Es ermöglicht den Studierenden, ihre theoretischen Kenntnisse unter Anleitung erfahrener Ärzt:innen in der Praxis anzuwenden und zu vertiefen. Doch die Realität sieht oft anders aus. 

Im dritten Studienabschnitt, bzw. Klinisch-Praktischen Jahr (KPJ) arbeiten Studierende der Humanmedizin in einem der zahlreichen Lehrkrankenhäuser im In- und Ausland als aktives Teammitglied in der Patientenbetreuung mit. Zu den Lehrkrankenhäusern zählen beispielsweise das LKH-Universitätsklinikum Graz, die Klinik Hietzing in Wien sowie das Landesklinikum Neunkirchen. Dort sollen die Studierenden ihr bereits erlerntes Fachwissen sowie ihre praktischen Fähigkeiten vertiefen. 

Das KPJ umfasst eine Gesamtdauer von 48 Wochen. Während dieser Zeit sind die Studierenden in verschiedenen Fachbereichen eines Krankenhauses tätig, um ein breites Spektrum an klinischen Erfahrungen zu sammeln. Das Klinisch-Praktische Jahr ist zudem in drei Abschnitte (Tertiale) zu je 16 Wochen unterteilt. Die Einteilung ist typischerweise wie folgt: Innere Medizin, Chirurgie und weiteres Fachgebiet nach Wahl der Studierenden (z.B. Kinder- und Jugendheilkunde, Psychiatrie, Allgemeinmedizin etc.). 

Die Studierenden sind voll in den klinischen Alltag integriert und arbeiten unter der Aufsicht erfahrener Ärzt:innen. Ihre Aufgaben umfassen die Teilnahme an Visiten, die Unterstützung bei diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sowie die Mitarbeit in der Patientenversorgung. Diese Erfahrungen sind unersetzlich und bereiten die Studierenden auf ihre zukünftige Rolle als Ärzt:innen vor. Dennoch ist bekannt, dass die Konditionen während des KPJ oft nicht ideal sind. Das betrifft unter anderem die Arbeitszeiten, die Vergütung und manchmal auch die Arbeitsbedingungen selbst.

Seit Jahren fordert die Wiener Ärztekammer, sowie die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) eine angemessene Bezahlung für das Klinisch-Praktische Jahr (KPJ). Zunächst erhielten die Studierenden dafür eine geringfügige Entschädigung von lediglich  650 Euro brutto im Monat (550 Euro netto) für eine Wochenarbeitszeit von (offiziellen) 35 Stunden. In der Praxis arbeiten sie aber oft bis zu 50 Stunden. Im vergangenen Jahr wurde die Entschädigung endlich auf 900 Euro brutto erhöht: “Für uns ist die Erhöhung der Aufwandsentschädigung ein erster Schritt in die richtige Richtung. Längerfristig streben wir jedoch eine weitere Anhebung an“, erklärt Johanna Brehmer, die Vorsitzende der ÖH Med Graz.

Auch die Ärztekammer Wien möchte sich mit dieser Summe noch nicht zufriedengeben. So erklärt Bernhard Schönthoner, Obmann der Sektion Turnusärzte der Ärztekammer Wien: „Als Ärztekammer Wien begrüßen wir die Erhöhung der KPJ-Aufwandsentschädigung, möchten aber gleichzeitig unsere Forderung nach 1.700 Euro brutto erneuern. Es ist ein Armutszeugnis, dass die Aufwandsentschädigung nach wie vor unterhalb der gesetzlichen Mindestsicherung liegt“. Denn neben dem einjährigen Vollzeitpraktikum und den inoffiziellen Überstunden bleibt keine Zeit für einen Nebenjob, um sich etwas Geld dazu zu verdienen, da diese zusätzliche Belastung zu Übermüdung führen und die Qualität der Patientenversorgung maßgeblich beeinträchtigen könnte.

Diese Zahlungen basieren jedoch auf einer freiwilligen Vereinbarung der Krankenhäuser; es besteht keine Verpflichtung zur Zahlung einer Mindestvergütung. Zudem werden die Studierenden zwar als Arbeitnehmer bei den Sozialversicherungsträgern angemeldet und müssen Krankenversicherungsbeiträge entrichten, gemäß dem Universitätsgesetz haben sie jedoch kein formelles Arbeitsverhältnis mit den Krankenhäusern. Dadurch fehlen ihnen die üblichen arbeitsrechtlichen Schutzmaßnahmen. Es gibt keinen Anspruch auf Krankenstand oder Urlaub; lediglich zehn “Fehltage” alle vier Monate sind gestattet. 

Wenn die Studierenden  aufgrund von Krankheit ausfallen, wird die Unterstützungsleistung im jeweiligen Monat entsprechend reduziert. Wenn die tolerierte Fehlzeit überschritten wird, erfolgt zudem keine automatische Verlängerung des KPJ-Moduls. Dies bedeutet, dass die Auszubildenden, die aufgrund von Krankheit Fehlzeiten haben, nicht einfach zusätzliche Zeit erhalten, um die Ausbildung abzuschließen. Stattdessen müssen sie das Modul neu planen, was zusätzliche Kosten, Verzögerungen und Schwierigkeiten bedeuten kann. In anderen Worten: Wer in dieser Zeit zu häufig krank wird, hat Pech gehabt. Insgesamt kann das dazu führen, dass Auszubildende sich gezwungen sehen, trotz Krankheit anwesend zu sein oder finanzielle Einbußen und Verzögerungen in Kauf zu nehmen.

#Ausbeutung #Medizinstudium #AusbeutungimMedizinstudium #ModerneAusbeutug #AgainstHumanTrafficking #GegenMenschenhandel #EndExploitation #EndTrafficking #HopeForTheFuture #Österreich