In Österreich ist Prostitution unter bestimmten Auflagen legal. Ist es aus ethischer Sicht überhaupt in Ordnung, Körper bzw. Liebe kaufen zu dürfen? In einigen EU-Ländern wurde bereits ein Sexkaufverbot beschlossen. Wäre so ein Gesetz bei uns wünschenswert? Welche Auswirkungen hätte es auf die Betroffenen? Lesen Sie hier einige Pro- und Contra-Gedanken!
SEXKAUFVERBOT ÀLA SCHWEDEN?
Was, wenn in Österreich das angeblich „älteste Gewerbe der Welt“, nämlich die Prostitution, gesetzlich verboten werden würde? In Schweden ist dies schon seit 1998 der Fall. Auch Frankreich stellte 2016 Prostitution unter Strafe. Bei einem Verstoß werden in beiden Ländern nicht die Sexarbeiterinnen (Anmerkung: Männer sind ab jetzt immer mitgemeint), sondern die Freier strafrechtlich verfolgt. Auf der Webseite des österreichischen Bundeskanzleramts heißt es: „Ausländische Beispiele zeigen […], dass die Nachfrage durch ein Verbot nicht wirksam unterbunden werden kann. Im Gegenteil, ein Verbot drängt Sexdienstleisterinnen und Sexdienstleister in die Illegalität, wo sie einer noch größeren Ausbeutungsgefahr ausgesetzt sind.“
Ein kleiner Hinweis vorweg: Einigen Mythen der Prostitution ist HFTF schon in einem vorigen Artikel auf den Grund gegangen und ist als Ergänzung zu diesem hier lesenswert.
STIGMATISIERUNG DER SEXARBEIT
Weder die Schweden noch die Franzosen konnten die Prostitution mit den neuen Gesetzen bisher abschaffen. Menschen (vor allem Männer) wollen Sex und sie wollen bestimmen wann, wo und mit wem. Viele schrecken vor einer vermeintlichen Strafe nicht zurück und finden dann eben andere Wege, sich eine Sexpartnerin gegen Geld zu organisieren. Durch das Gesetz wurde die Prostitution wieder in dunkle Hinterzimmer verlagert. Die Stigmatisierung sowohl der Sexarbeiterinnen als auch der Freier hat sich verstärkt. Prostituierte wurden an den Rand der Gesellschaft gedrängt, bedauert Pye Jakobsson, eine Schwedin, die selbst als Sexarbeiterin ihr Geld verdient. Immer weniger Einheimische würden sich dazu entschließen, in die Sexbranche einzusteigen. Aber ist der Einstieg je eine freiwillige Entscheidung? Dazu kommen wir später noch.
RÜCKGANG DES MENSCHENHANDELS
Allgemein ist bekannt, dass in westeuropäischen Ländern größtenteils Frauen und natürlich auch Männer aus Osteuropa im Sexgeschäft arbeiten. Viele von ihnen sind Opfer von Menschenhandel. Studien belegen, dass Länder, in denen Prostitution ganz oder teilweise kriminalisiert ist, weniger zum Ziel von Menschenhandel werden. Es ist für die kriminellen Organisationen unkomplizierter und lukrativer, die Menschen in Länder wie Deutschland und Österreich zu bringen, in denen sie dann legal Sexarbeit verrichten. Auch die Straßenprostitution ging in den Verbotsländern zurück. Dafür läuft alles illegal über das Internet, weiß eine schwedische Sozialarbeiterin – und findet dann eben im besagten dunklen Hinterzimmer statt.
PROSTITUTION – FRAUENVERACHTEND ODER GAR FEMINISTISCH?
Interessant ist, dass sich sogar Feministinnen und Feministen nicht einig sind, ob ein Sexkaufverbot Frauen zugutekommt oder nicht. Die einen argumentieren, Prostitution sei ein Ausdruck männlicher Gewalt an Frauen, die anderen verweisen auf das Recht auf Selbstbestimmung. Sie meinen also, die Frau habe das Recht, frei zu entscheiden, was sie mit ihrem Körper tun oder lassen kann. Wie viel Prozent aller Sexworker ihre Arbeit freiwillig ausüben, dazu gibt es keine offiziellen Zahlen, doch nach ausführlicher Beschäftigung mit dem Thema bekommt man den Eindruck: sehr selten. Die meisten Menschen, die ihre Körper für Geld anbieten, sind irgendeiner Art einem Zwang ausgesetzt. Viele werden mit dem Versprechen auf ein besseres Leben hergebracht und dann zur Prostitution gezwungen, um die Schulden ihrer Reise-und Visakosten zurückzuzahlen. Andere kommen ebenso in Hoffnung auf Wohlstand, können jedoch ohne Sprachkenntnisse keiner anderen Tätigkeit nachgehen. Nicht wenige Prostituierte rutschten schon in einem enorm jungen Alter in das Milieu und kennen gar nichts anderes. Es gibt viele Gründe, warum sich jemand prostituiert, aber die häufigsten sind wohl Armut, Verzweiflung und Alternativlosigkeit. Aber es gibt sie, die Frauen, die freiwillig Sexworker sind. Zum Beispiel Josefa Nereus, welche ganz offen mit ihrer Berufswahl umgeht und Sexarbeit als „fundamental feministisch“ bezeichnet.
Die Frage, die man stellen muss, ist: Rechtfertigt es das Selbstbestimmungsrecht der Wenigen, die es freiwillig tun, dass wir zulassen, dass Millionen von Menschen tagtäglich ausgebeutet werden? Grundsätzlich hat ein Staat die Verpflichtung, da wo die Freiheit des Einzelnen die Freiheit des Anderen schädigt, einzuschreiten. Das ganze Sexgewerbe ist aufgebaut auf der sozialen und finanziellen Not einer Vielzahl von Menschen. Und auch dieses Gewerbe ist nicht immun gegen die freie Marktwirtschaft. Preisdumping ist die Folge. In belebten Städten, wo die Nachfrage groß ist, bekommt man Geschlechtsverkehr schon zum Preis von schlappen 40 Euro.
GESETZE ZUM SCHUTZ DER PROSTITUIERTEN?
Das Bundeskanzleramt schreibt weiterführend, solange es einen legalen Markt gäbe, könne man Einfluss auf die Arbeitsbedingungen nehmen, diese kontrollieren und somit sexuelle Gewalt und Zwang besser erkennen und unterbinden. Aber inwieweit kann man diese Maßnahmen zum Schutz der Frauen in Wahrheit kontrollieren? Prostitution ist in Österreich zwar legal, aber nur unter vielen Bedingungen. Sexworker dürfen nur als selbstständige Kleinunternehmer arbeiten, haben kein Recht auf Arbeitsverträge, Arbeitslosenversicherung, Krankengeld und Mutterschutz. Macht sich ein Kunde also aus dem Staub, ohne zu zahlen, ist das Pech. In der Praxis ist es dem Staat auch nicht möglich zu verhindern, dass jemand an den Frauen Handlungen vollzieht, zu denen sie nicht eingewilligt haben (Stichwort Vergewaltigung). Die Betroffene kann den Freier anzeigen, aber es wird nichts dabei herauskommen. Vor einigen Jahren wurde über eine Kondompflicht diskutiert, zum Schutz der Gesundheit. An diesem Beispiel wird die Absurdität so mancher Schutzmaßnahmen deutlich. Da müssten die Kontrollorgane schon in flagranti hereinplatzen, um die Einhaltung dieser Pflicht zu überprüfen. Im Großen und Ganzen sorgen unsere Prostitutionsgesetze eher für mehr bürokratischen Aufwand für die Frauen als für deren Schutz.
DER MENSCH MUSS GESEHEN WERDEN
Wie bei vielen Themen kann man nicht alles schwarz oder weiß sehen. Auch wenn sich viele eine Gesellschaft ohne Prostitution wünschen, so einfach ist es leider nicht. Ein Verbot hätte sowohl wünschenswerte als auch nicht wünschenswerte Auswirkungen. Wenn man über Prostitution spricht, muss man auch über Würde und Respekt sprechen. Sieht ein Freier die Frau als Ware oder als Mensch? Jeder, der sich schon einmal auf die Webseite eines Bordells verirrte und dort ein paar Kommentare von Freiern gelesen hat, der weiß, wie respektlos und abwertend in den Foren über die Frauen gesprochen wird. Aber es sind nicht nur die kommentarfreudigen perversen Misogynen, die Prostituierte aufsuchen, es sind auch die einsamen, verlorenen Seelen. Auch körperlich oder geistig Behinderte, die in ihrem Leben sonst nie sexuelle Erfahrungen machen würden, kaufen sie sich auf diese Weise.
Trotzdem sollte es in unserer Gesellschaft nicht als normal oder gar als Grundrecht gelten, Körper für Geld kaufen zu können. Denn in diesem Körper steckt auch immer ein Mensch, oft ein sehr verletzlicher Mensch, der schon viel durchmachen musste. Eine respektvolle Begegnung zweier Menschen auf Augenhöhe – dazu kommt es nur dann, wenn beide dieser Begegnung auch freiwillig und mit voller Überzeugung zustimmen.