Pornosucht: Was Sex-Videos mit uns machen

Sex sells – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Die Pornobranche erzielt jährlich Umsätze von mehr als fünf Milliarden Dollar. Kein Wunder, denn die pornografischen Inhalte sind heutzutage nahezu überall und jederzeit frei zugänglich – auch für Kinder und Jugendliche. Eine Studie der Medienanstalt NRW zeigt: Die meisten Minderjährigen sehen ihren ersten Porno bereits zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr. Doch welche Auswirkungen hat dieser frühe Kontakt mit Pornografie auf uns – körperlich, psychisch und sozial?

Verlässliche Zahlen zum Pornokonsum gibt es wenige, fest steht jedoch, dass sich ca. 25% aller Suchanfragen im Internet um Pornografie drehen. Um das noch einmal zu verdeutlichen: Rund 68 Millionen Menschen suchen tagtäglich nach pornografischen Inhalten im Netz. 

Die Münchner Sexualtherapeutin Heike Melzer warnt hierbei vor den Folgen übermäßigen Pornokonsums, insbesondere bei Jugendlichen. „Je früher und häufiger das Gehirn mit Pornografie in Kontakt kommt, desto nachhaltiger wird es verändert“, erklärt Melzer im Gespräch mit FOCUS Online. Bereits regelmäßiger Konsum genügt, um tiefgreifende Veränderungen in der Gehirnstruktur hervorzurufen.

Besonders kritisch wird es, wenn die Betroffenen die Kontrolle über ihren Konsum verlieren. Schätzungen zufolge gelten allein in Deutschland etwa 500.000 Menschen als pornosüchtig. Genaue Zahlen gibt es auch hier nicht: „Es gibt Patienten, die in einer Woche bis zu 40 Stunden Pornos ansehen”, berichtet Melzer. Für soziale Kontakte, Beziehungen oder Hobbys bleibt dabei kaum noch Zeit. 

Ein zentraler Aspekt, der Pornografie süchtig machen kann, ist die Kombination von Pornokonsum und Selbstbefriedigung. Der Grund: Beim Orgasmus wird im Gehirn Dopamin ausgeschüttet – ein “Glückshormon”. Laut der Expertin Melzer aktiviert dieser Prozess das Belohnungszentrum des Gehirns in ähnlicher Weise wie die Einnahme von Kokain – was dazu führt, dass Betroffene immer wieder das Bedürfnis verspüren, diesen Zustand zu wiederholen.

Doch die Wirkung lässt schnell nach. Bereits nach kurzer Zeit setzt eine sogenannte Desensibilisierung ein: Das Gehirn gewöhnt sich an den Dopamin-Ausstoß, und es sind zunehmend stärkere oder extremere Reize notwendig, um dasselbe Glücksgefühl zu erreichen. Man braucht immer härtere Filme, um überhaupt noch erregt werden zu können. Diese kontinuierliche Suche nach intensiveren Reizen kann bei den Betroffenen sogar zu körperlichen und psychischen Symptomen führen: Konzentrationsstörungen, verminderte Libido, depressive Verstimmungen, emotionale Abstumpfung, oder gar Erektionsprobleme und Impotenz. Eine mögliche Pornosucht ist allerdings nur ein Teil des Problems, denn Pornografie beeinflusst auch, wie junge Menschen Beziehungen und Sexualität wahrnehmen.

Eine Umfrage der Landesanstalt für Medien NRW liefert besorgniserregende Ergebnisse: 32% der 11- bis 13-jährigen Jungen und 21% der gleichaltrigen Mädchen geben an, dass Pornos ihnen vermitteln, wie sie sich beim Sex verhalten sollten. Gleichzeitig halten nur etwa ein Drittel aller befragten Kinder und Jugendlichen Pornografie für unrealistisch. Jugendliche suchen in Pornos nach Orientierung – Sie wollen wissen, wie Sex funktioniert, und denken, dass die Sexfilme im Internet ihnen zeigen können, wie es “wirklich” geht. Die Konsequenzen? Die Minderjährigen bekommen eine komplett falsche Vorstellung von Sex vermittelt, denn Pornos sind in etwa so realistisch, wie ein Science-Fiction-Film. Sie inszenieren Fantasien, die in der Realität oft so nicht stattfinden – und lassen dabei wichtige Aspekte wie Konsens und Kommunikation komplett aus. 

Viele Jugendliche übernehmen unbewusst das, was sie in Pornos sehen, und halten es für die Norm. Szenen, in denen Würgen, Ohrfeigen oder Anspucken als Teil „normaler“ Sexualität dargestellt werden, können dazu führen, dass Gewalt als selbstverständlicher Bestandteil von Sex wahrgenommen wird. “Es gibt 14-Jährige, die schon während ihres ersten Kusses gewürgt worden sind. Das ist eine Gefahr”, berichtet Paartherapeutin Birgit Kollmeyer

Laut einem Bericht des Children’s Commissioner für England glauben fast die Hälfte (47 %) der 16- bis 21-Jährigen, dass Mädchen erwarten, dass Sex körperliche Aggression beinhaltet. Weitere 42 % der Befragten meinen sogar, dass Mädchen gewalttätige sexuelle Handlungen genießen würden.

Um Missverständnisse zu vermeiden, ist es wichtig, zwischen pornografischen Darstellungen und einvernehmlichen sexuellen Vorlieben wie BDSM zu unterscheiden. Praktiken wie Fesseln oder Dominanzspiele sind in der Realität kein Problem, solange sie auf Konsens, Vertrauen und klarer Kommunikation beruhen. Beim BDSM geht es nicht um Gewalt im herkömmlichen Sinne, sondern um ein kontrolliertes, freiwilliges Machtspiel, das die Wünsche aller Beteiligten berücksichtigt.

Das Problem bei Pornos ist jedoch, dass solche Praktiken oft ohne vorherige Zustimmung oder Kommunikation gezeigt werden. Jugendliche, die keine Erfahrungen oder Aufklärung darüber haben, könnten fälschlicherweise glauben, dass diese Handlungen immer Teil von Sex sein müssen – und dass Einwilligung nebensächlich ist.

“Pornos zu verbieten, ist sinnlos”, erklärt der Sexualwissenschaftler Konrad Weller von der Hochschule Merseburg im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Pornografie ist nun mal im Internet jederzeit verfügbar und Eltern können ihre Kinder nicht rund um die Uhr überwachen – auch wenn sie das vielleicht gerne tun würden. Ein Verbot würde die pornografischen Inhalte nur noch reizvoller machen und verhindern, dass Jugendliche mit ihren Eltern über das Thema sprechen.

Damit Kinder und Jugendliche Pornografie kritisch hinterfragen können, braucht es daher bessere Aufklärung. Dabei sollten drei Dinge im Fokus stehen:

  1. Realitätscheck: Jugendliche müssen verstehen, dass Pornos lediglich Fantasien zeigen und nicht die Realität abbilden.
  2. Sensibilisierung für Konsens und Kommunikation: Jugendliche müssen lernen, dass jede Form von Sexualität nur dann gesund ist, wenn sie auf gegenseitigem Einverständnis basiert.
  3. Offene Gespräche: Eltern sollten offen mit ihren Kindern über Pornografie und Sexualität sprechen – auch wenn es unangenehm ist. Nur so können Jugendliche lernen, Pornografie kritisch zu hinterfragen und gesunde Vorstellungen von Beziehungen und Sexualität zu entwickeln.

Eltern können nicht verhindern, dass ihre Kinder mit Pornografie in Kontakt kommen. Sie können aber dazu beitragen, dass dieser Kontakt nicht zu falschen Erwartungen oder schädlichem Verhalten führt.

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