Pornhub – Die Geschichte eines Skandals

Pornhub ist eine der beliebtesten Sex-Plattformen, aber in den letzten Jahren stark in die Kritik geraten: Aufgrund fehlender Sicherheitsmaßnahmen konnten nicht nur Vergewaltigungs- und Kinderpornographie-Videos verbreitet werden, der Betreiber hat damit auch Geld verdient.

Im Dezember 2020 erschien in der New York Times Nicholas Kristofs Artikel „The Children of Pornhub: Why does Canada allow this company to profit off videos of exploitation and assault?”  – Die Kinder von Pornhub: Warum erlaubt Kanada diesem Unternehmen, mit Missbrauchs- und Gewaltvideos Geld zu verdienen?

Pornhub ist Teil von MindGeek, einem kanadischen Unternehmen, dem ein Großteil aller Porno-Plattformen gehört, wie Redtube, Youporn, XTube, SpankWire, ExtremeTube, Men.com, My Dirty Hobby, Thumbzilla, PornMD, Brazzers und GayTube.

2007 gegründet, wurde Pornhub durch Piraterie im Pornogeschäft, also durch die Veröffentlichung gestohlener Bezahlvideos anderer Plattformen oder DVDs, innerhalb eines Jahres bekannt.
Derzeit liegt Pornhub weltweit auf Platz 13 der meistbesuchten Websites, vor TikTok, Netflix und Reddit, im Ranking aller Pornoseiten auf Platz 2. In Österreich ist es sogar die beliebteste Sexseite und liegt auf Platz 12 aller Internetseiten.

Das „Problem“ an Pornhub war, dass jeder Nutzer Videos hochladen konnte, ohne sich verifizieren zu müssen. Von mitgeschnittenen Bezahl-Pornos bis hin zu selbst gefilmten Videos. Und davon bilden einige nicht-einvernehmlichen Sex ab.
Bei seinen Recherchen stieß Kristof auf einige Vergewaltigungsvideos – auch von Kindern und Minderjährigen, Revenge-Porn (das unerlaubte Hochladen von Nacktfotos oder -videos als Racheakt), Spy-Cam-Videos (Filme versteckter Kameras, z. B. in Duschen, auf Toiletten), laut Artikel sogar Erstickungsvideos von Frauen mit Plastiktüten über dem Kopf.  Bei einigen Vergewaltigungsvideos steckten die Täter Finger in das Auge des Opfers, als Beweis, dass es „wirklich“ bewusstlos sei.
All diese Videos standen jedem Zuseher auch als Download zur Verfügung – somit konnte es nach einer Löschung jederzeit erneut auf Pornhub hochgeladen werden.

Mit Werbung, die bei den Videos angezeigt wird, verdiente Pornhub einen Großteil des Geldes. Laut der Netflix-Dokumentation, in der sich die Verantwortlichen bezüglich der Finanzen unwissentlich zeigten, betrug der Gewinn im Jahr 2019 460 Millionen Dollar.

– ein aus China in die USA adoptiertes Mädchen wurde laut New York Times von ihrer neuen Familie zur Kinderpornographie gezwungen. Diese Videos waren noch Jahre nach ihrem Martyrium auf der Plattform zu finden. Die Mutter eines vermissten 15-jährigen Mädchens hat 58 Sexvideos ihrer Tochter auf Pornhub gefunden.

Auf dem Cover des Artikels ist Serena K. Fleites abgebildet. Mit 14 verliebte sie sich in einen Mitschüler und ließ sich zu einem Nacktvideo überreden, dem folgten weitere. Er hat die Videos an seine Freunde geschickt und jemand hat sie auf Pornhub hochgeladen – eines dieser Videos hatte sogar 400.000 Aufrufe. Serena wurde in Folge gemobbt, beschimpft und erpresst, weitere Videos zu senden, oder man würde ihrer Mutter alles erzählen.

Nachdem es gelungen war, dass Pornhub ihre Videos entfernt, wurden diese immer wieder erneut hochgeladen. Serena unternahm zwei Selbstmordversuche, musste sogar wiederbelebt werden, sie begann Drogen zu nehmen, brach die Schule ab und wurde am Ende obdachlos.

Um Geld zu verdienen, und auch, um sich zu bestrafen, verkaufte sie Nacktfotos und -videos von sich, da ohnehin schon jeder ihren Körper gesehen habe. Außerdem hatte sie Angst, dass sie bei einer Arbeit mit Menschenkontakt erkannt hätte werden können. Zum Zeitpunkt des Artikels lebte sie mit ihren drei Hunden in einem Auto, traumatisiert, aber drogenfrei, und träumte von einer Ausbildung als Tierarzthelferin.

Das „National Center for Missing and Exploited Children” meldete auf Kristofs Nachfrage für das Jahr 2019 69,2 Millionen Bilder und Videos sexuellen Inhalts. Facebook hat 2020 12,4 Millionen derartiger Inhalte entfernt, Twitter hat 2019 264.000 Konten wegen kinderpornographischen Materials geschlossen. Für Pornhub hingegen wurden von der „Internet Watch Foundation“, einer britischen gemeinnützigen Organisation gegen Kindesmissbrauch im Internet im Zeitraum von drei Jahren nur 118 Fälle gemeldet. Warum? Möglicherweise seien die Moderatoren bereits abgestumpft, wurde erklärt. Auf Pornhub hingegen gab es sogar eindeutig benannte Playlists – wie „Minderjährig“, „Unter 18“.

Moderatoren sind diejenigen, die Internetseiten auf unerlaubte Inhalte prüfen. Laut eines Whistleblowers sei das Pornhub-Moderationsteam sehr klein, unterbezahlt und überarbeitet – pro Acht-Stunden-Schicht müssten bis zu 1.200 Sexvideos kontrolliert werden, dies sei nur im Schnelldurchlauf möglich. Oft wären es nur Vermutungen, wer vergewaltigt wurde und wer harten Sex hatte, wer minderjährig war und wer nicht. Der Moderator habe in Zweifelsfällen in Bezug auf Kinderpornographie auf lackierte Nägel geachtet – aber auch Minderjährige tragen Nagellack. Dennoch habe er Hunderte Verdachtsvideos den Behörden übergeben können, u. a. Videos eines Mannes, der obdachlose Teenager mit dem Versprechen einer Unterkunft anal vergewaltigte.
Ein weiterer Pornhub-Moderator meinte, sie seien angewiesen worden, so viele Inhalte wie möglich durchzulassen, um mehr Geld zu verdienen.
Zum Zeitpunkt der Recherchen von Kristof gab es einer anonymen Quelle zufolge bei MindGeek ca. 80 Moderatoren, das Unternehmen hat dazu keine Auskunft erteilt. Zum Vergleich: Facebook berichtete von ca. 15.000 Moderatoren.
Pornhub wies alle Anschuldigungen zurück, das Unternehmen würde sich sogar für die Bekämpfung von sexuellem Missbrauch einsetzen und hätte eine branchenführende Sicherheitsrichtlinie eingeführt.
Serena Fleites hat in der Netflix-Dokumentation allerdings berichtet, dass ihre Anfrage nach Löschung ihrer Videos erst nach ca. zwei Wochen beantwortet wurde und es zwei weitere Wochen bis zur Entfernung gedauert habe. Nur, um dann wieder hochgeladen zu werden.
Außerdem seien nur die Videos gelöscht worden, nicht aber die jeweilige Seite. Das heißt, dass sämtliche Kommentare, Werbeanzeigen, Keywords und Empfehlungen für Videos ähnlichen Inhalts weiterhin sichtbar blieben.

Bis 2018 glaubte MindGeek sich als rein technischer Anbieter der Plattform geschützt, doch dann wurde das entsprechende Gesetz geändert. Pornhub hat daraufhin begonnen, freiwillig illegale Videos zu melden und rascher zu entfernen sowie eine Liste mit Begriffen zusammengestellt, nach denen nicht mehr gesucht werden könne – z. B. Rape.  Einige Videos schienen allerdings nicht entfernt worden zu sein. Durch geänderte Suchbegriffe – z. B. R*pe statt Rape – erhielt man dennoch Zugriff auf gesuchte Inhalte. Auch indirekte Suchanfragen zu diesen Themen brachten die Ergebnisse.

Derzeit, 11/2023, liefert die Suche nach „Teen“ 200.000 Treffer. Natürlich sind nicht alle Darsteller wirklich unter 18, aber es sind vermutlich immer noch welche dabei. Und es zeigt leider auch, dass es ein beliebter Suchbegriff ist.
Die Suche nach „Rape“ führt inzwischen zu einer Seite mit der Warnung, dass das gesuchte Material illegal sein könnte und dass das Filmen und/oder Verbreiten dessen eine Straftat darstellen könnte. Dass das Vergewaltigen selbst ebenso eine Straftat sei, bleibt allerdings unerwähnt. Dafür gibt es einen Meldelink für Opfer.

Auch Laura Mickelwait bietet Opfern Hilfe und setzt sich dafür ein, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Auf Traffickinghub, der Seite der Aktivistin, läuft auch eine Online-Petition mit derzeit 2,3 von 2,5 Millionen Stimmen, die für eine Schließung des Portals plädieren.

Schon kurze Zeit nach Erscheinen des New York Times-Artikels gab es ein Update von Nicholas Kristof:

– Visa und Mastercard wollen ihre Beziehungen zu Pornhub überprüfen – im weiteren Verlauf haben beide Kreditkartenunternehmen die Geschäftsbeziehungen wegen illegaler Aktivitäten beendet.
– Aufgrund neuer Gesetze können Vergewaltigungsopfer Pornounternehmen leichter verklagen, die von Videos ihrer Übergriffe profitieren.
– Auch Kanada, der Sitz von MindGeek, wolle neue Vorschriften erarbeiten.

Aufgrund dessen hat Pornhub ebenso ein paar Änderungen angekündigt: Das Hochladen von Videos soll nur mehr verifizierten Usern möglich sein, das Herunterladen unterbunden werden und die Moderation soll verbessert werden.
Schließlich hat Pornhub einen Großteil der Inhalte nicht-verifizierter Nutzer entfernt und dabei die Anzahl der Videos von 13,5 Millionen auf ca. 3 Millionen reduziert.
2022 wurden die offiziellen Pornhub-Konten von Facebook, YouTube, TikTok und Instagram geschlossen.

Serena K. Fleites, die mit drei Hunden im Auto lebte, erhielt hingegen zahlreiche Unterstützungsangebote. Sie konnte mit Geldern eines für sie eingerichteten GoFundMe-Fonds mit ihren Hunden eine Unterkunft beziehen und die Ausbildung zu ihrem Traumberuf Tierarzthelferin wird von einer Wohltäterin finanziert.

MindGeeks CEO Feras Antoon und COO David Tassillo sind inzwischen zurückgetreten. Das Unternehmen änderte jetzt außerdem seinen Namen zu Aylo, um mit MindGeeks Geschichte nicht mehr in Verbindung gebracht zu werden – für einen „Neustart“. Aber ob es wirklich einer ist?

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