Gesundheit in der Prostitution

Frauen, die gezwungen sind ihren Körper zu verkaufen, sind einer Vielzahl an gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Die Diagnosen reichen von sexuell übertragbaren Krankheiten, über körperliche Beschwerden aufgrund von Gewalteinwirkung, bis hin zu psychischen Erkrankungen. Schaut man genauer hin, wird schnell sichtbar, dass viele Frauen mit diesen Problemen alleine gelassen werden. Also: Wie steht es um Gesundheit in der Prostitution in Österreich?

WELCHE FRAUEN SIND BESONDERS GEFÄHRDET?

Wer an gesundheitliche Risiken in der Prostitution denkt, dem kommt die Infektionsgefahr mit dem HIV-Virus wohl als erstes in den Sinn. Zwar liegt die HIV-Prävalenz bei Prostituierten nicht höher als in der Allgemeinbevölkerung, jedoch sind Frauen, die auf intravenösem Weg Drogen zu sich nehmen, einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt. Der Konsum von Rauschgiften ist in diesem Milieu keine Seltenheit.

Auch Migrantinnen weisen ein höheres Potential auf, sich mit HIV zu infizieren. Diese befinden sich oftmals illegal im Land und können aufgrund fehlender Papiere und Versicherungen keine Gesundheitsdienste in Anspruch nehmen. Die Sprachbarriere bildet ein weiteres Hindernis, das Prostituierte mit Migrationshintergrund in die soziale Isolation zwingt. Darunter leidet zwangsläufig die Gesundheit.

Der Wunsch nach einer angemessenen medizinischen Versorgung ist bei Frauen aus der Prostitution Umfragen zufolge sehr stark ausgeprägt. Sie sorgen sich verständlicherweise um ihre Gesundheit. Allerdings sind nicht alle krankenversichert, was den Besuch bei Medizinern zu einer finanziellen Frage macht.

Sind die Frauen krankenversichert, scheuen sie oftmals das offene Gespräch mit ihrem behandelnden Arzt aufgrund der Stigmatisierung von Prostitution. Für eine adäquate Behandlung und Aufklärung müssen Frauen jedoch ohne Angst vor Ablehnung über ihre Probleme und Ängste sprechen können.

MANGELNDER SCHUTZ WÄHREND DES GESCHLECHTSVERKEHRS

Hinzu kommt, dass das Risiko sich mit HIV anzustecken, durch die Infektion mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten begünstigt wird. Tripper und Syphilis werden bekanntlich primär durch ungeschützten Geschlechtsverkehr weitergegeben. Viele Freier lehnen die Verwendung eines Kondoms allerdings kategorisch ab. Unsafe-Sex-Praktiken werden gezielt nachgefragt.

Eingekeilt zwischen der Konkurrenzlogik des Markts (wenn der Kunde die Dienstleistung hier nicht bekommt, dann woanders) und ihrer häufigen Verwicklung in finanzielle Abhängigkeitsverhältnisse, bleibt den betroffenen Frauen kaum Spielraum, um einen angemessenen Schutz einzufordern.

Zu guter Letzt gibt es bei den Kunden scheinbar kein Bewusstsein für die Gesundheit der Frauen, mit denen sie verkehren. Die grundsätzliche Meinung lautet: „Das geht mich nichts an!“ Fälschlicherweise denken diese Männer, dass ungeschützter Geschlechtsverkehr für sie selbst keinerlei Risiken berge. Sie gefährden also nicht nur andere Menschen, sondern auch sich selbst.

HOHE GEFAHR DURCH GEWALT

Die im Milieu der Prostitution stark ausgeprägte Gewaltbereitschaft ist ein weiterer Faktor, der die Gesundheit von Prostituierten negativ beeinflusst. Die Aggressionen gehen von Zuhältern und Freiern gleichermaßen aus. Bei letzteren manifestiert sie sich häufig in Form von gefährlichen Sexualpraktiken, die schwerwiegende Konsequenzen für die körperliche Verfassung der Frau nach sich ziehen.

Aus physischen Misshandlungen resultieren in einigen Fällen langwierige psychische Leiden, im schlimmsten Fall entwickeln sich daraus konkrete Suizidgedanken. Ohnedies bereits angeschlagen durch ihre Lebensverhältnisse und das soziale Stigma, haben viele Frauen, die sich prostituieren, mit posttraumatischen Belastungsstörungen zu kämpfen. Da sie oftmals keinen (leistbaren) Zugang zu Psychotherapie haben, greifen sie zu Schmerz- und Beruhigungsmitteln sowie Drogen und Alkohol, um dem Alltag zu entfliehen.

Eine beschleunigte Alterung, permanente Bauchschmerzen und Gastritis sowie häufige Infektionen sind weitere Diagnosen, die Gynäkologen und Ärzte Frauen aus diesem Milieu stellen.

DIE LAGE IN ÖSTERREICH

Gesundheit in der Prostitution ist auch in Österreich ein Thema. Hierzulande sind Untersuchungen für Prostituierte rechtlich im AIDS- und Geschlechtskrankheitengesetz verankert. Bis 1. Jänner 2016 mussten diese Termine wöchentlich wahrgenommen werden, seitdem wurde das Intervall allerdings verlängert.

Aktuell ist alle sechs Wochen ein Abstrich und alle 12 Wochen eine Blutuntersuchung durchzuführen. Dadurch sollen Infektionen möglichst frühzeitig erkannt und geheilt werden. In Wien werden diese Untersuchungen kostenlos im Zentrum für sexuelle Gesundheit angeboten, lediglich für die Bestätigung der Untersuchung ist eine kleine Gebühr zu entrichten.

Entgegen der weitverbreiteten Annahme ist eine gynäkologische Untersuchung übrigens nicht in diesem Leistungsspektrum enthalten und muss separat organisiert werden.

PFLICHTUNTERSUCHUNG IN BRANCHE UMSTRITTEN

Die verpflichtenden Untersuchungen sind innerhalb der Branche umstritten. Sie würde beispielsweise das Vorurteil reproduzieren, dass die Gefährdung von Prostituierten ausgeht, obwohl es Kunden sind, sie Unsafe-Sex-Praktiken verlangen und die Krankheit in der Folge übertragen.

Zudem bedeutet eine regelmäßige Untersuchung nicht zwingend, dass Prostituierte über das notwendige Wissen verfügen, um sich selbst langfristig gegen Infektionen zu schützen. Manch zuständige Stelle ist dermaßen überlastet, dass die zur Verfügung stehende Zeit nicht ausreicht, um die Frauen im notwendigen Ausmaß zu informieren. Hinsichtlich Qualität bei der Durchführung von Untersuchungen wird teils von großen Unterschieden berichtet.

Ein weiterer, durchaus berechtigter Kritikpunkt ist, dass die Pflichtuntersuchungen nur der Gesundheit von legal arbeitenden Prostituierten zugutekommen. Der illegale Markt kann durch die Regelungen und Angebote Österreichs nicht erreicht werden.

ANGEBOT MUSS STARK AUSGEBAUT WERDEN

Ihren offensichtlichen Mängeln zum Trotz bringt eine regelmäßige Pflichtuntersuchung für jene, die Zugang dazu haben, auch Gutes – wie eben die Gewissheit um mögliche Infektionen.

Wären die Untersuchungen nicht verpflichtend, könnten Zuhälter den Frauen verbieten, die existierenden Möglichkeiten zu nutzen. Befürworter weisen auch darauf hin, dass Spuren von Gewalt im Rahmen der Untersuchung für behandelnde Ärzte sichtbar oder von den Frauen selbst angesprochen werden können. Ob aus einer Feststellung jedoch auch Konsequenzen für den Täter abgeleitet werden, ist eine andere Frage.

Beratungsstellen plädieren seit Jahren für die Bereitstellung von freiwilligen und – wenn gewünscht – auch anonymen Untersuchungen, bei denen ein breites Leistungsspektrum sowohl kostengünstig als auch qualitativ hochwertig abgedeckt wird. Eine regelmäßige gynäkologische Untersuchung sowie (fremdsprachige) Beratungsangebote müssen darin ebenfalls inkludiert sein.

GESUNDHEITSASPEKT NICHT AUF PROSTITUTION REDUZIEREN

Was die Gesellschaft nicht vergessen darf: Prostitution bildet nur einen Aspekt im Leben dieser Frauen. Der Bedarf an medizinischen Untersuchungen muss also nicht zwangsläufig darauf zurückzuführen sein. Und gewisse Probleme lassen sich nicht rein durch Beratungsangebote lösen. Ist eine Frau zum Beispiel mangelernährt, schaffen nicht Gespräche, sondern die Behebung der prekären ökonomischen Umstände Abhilfe. Gesundheit ist ein vielschichtiges Thema, das nicht nur auf einen einzigen Einflussbereich reduziert werden darf.