Yoga bedeutet für die meisten mehr als nur Fitness. Es geht um Gemeinschaft, Disziplin, den Einklang von Körper und Geist. „Grieg“, wie seine Anhängerinnen und Anhänger ihren vermeintlich weisen Guru nannten, erschuf unter dem Deckmantel des Tantra-Yoga ein sektenartiges System, mit dem er junge Frauen ausbeutete. Ehemalige Yogaschülerinnen erzählen von verstörenden Erlebnissen in Yoga-Retreats, von Gehirnwäsche, sektenartigen Strukturen und Missbrauch.
Ein Leben nach den Regeln des Gurus

Gregorian Bivolaru, der Gründer der Bewegung, die in Rumänien unter dem Namen MISA bekannt ist, sitzt mittlerweile in Haft. Doch seine Schulen bestehen weiterhin – unter verschiedenen Namen. In Deutschland ist die Bewegung als „Deutsche Akademie für traditionelles Yoga“ (DAtY) bekannt, der internationale Dachverband heißt Atman.

Der Bayrische Rundfunk }hat mit 20 Frauen über Bivolarus Yogaschulen gesprochen, zum Beispiel mit Eva und Nathalie, deren Erfahrungen sich sehr ähneln. Die Aussicht auf Gemeinschaft, ein gestärktes Selbstwertgefühl und spirituelle Sexualität motivierten sie, der Yogaschule beizutreten und diszipliniert umzusetzen, was von ihnen verlangt wurde. Um ein höheres spirituelles Niveau zu erreichen, mussten sie stundenlang Yoga praktizieren und den strengen Regeln des Gurus folgen. Yoga hat generell eine hierarchische Struktur, man ordnet sich unter und soll der Lehrerin oder dem Lehrer nicht widersprechen. Grieg wird von seinen Anhängerinnen und Anhängern regelrecht vergöttert, und auch als die ersten schweren Vorwürfe gegen ihn laut wurden, hielten sie an seiner Unschuld fest.
Auch Annika erfuhr beim Atman-Yoga erst Zugehörigkeit und eine angenehme Intimität. Grieg wird zu ihrem Gott, der alles sieht und alles weiß. Zuerst war es eine Erleichterung, endlich Orientierung im Leben zu haben, einen roten Faden. Doch irgendwann lebt Annika nur mehr nach seinen Wünschen und Vorstellungen, er bestimmt ihr Denken und ihr Leben, bis es ihr zu viel wurde. Der Ausstieg aus so einer sektenartigen Gemeinschaft ist äußerst langwierig und schwierig. Die meisten schaffen es nicht ohne psychologische Hilfe.
Ein Nacktbild zum Aura lesen
Nur wenigen Yogis wird die Ehre zuteil, beim Guru höchstpersönlich eine Yogaeinheit zu bekommen, was ihnen von Anfang an vermittelt wird – umso glücklicher waren Eva und Nathalie, unter den Außerwählten zu sein. Diese „Audienz“ bei Bivolaru trug den Namen „tantrische Initiation“. Danach sei man „erleuchtet“, hieß es in den Kreisen der Yogaschule.
Zuvor mussten die Frauen ihrem Guru jedoch ein Bild von sich in Unterwäsche schicken, damit er „ihre Aura lesen“ konnte. Alle Frauen, die zu Bivalorus geheimen Versteck gebracht wurden, berichten außerdem, dass ihnen die Augen verbunden und Geldtasche sowie Handy abgenommen wurden. Bevor es zum tatsächlichen Treffen kam, mussten die Frauen wochenlang zusammengepfercht in einer Pariser Wohnung ausharren und stundenlang erotische Filme ansehen.
Die Privatstunde beim Guru
Bei der „tantrischen Initiation“ handelte es sich um stundenlangen Sex mit Bivolaru. Auch wenn die Frauen teilweise wussten, worauf sie sich einließen, fühlen sich heute zurecht missbraucht. Sie wurden über Jahre hinweg systematisch manipuliert. Zu einem Treffen mit dem Guru „nein“ zu sagen, war nur sehr bedingt eine Option. Schließlich wurde ihnen jahrelang eingebläut, dass ein Treffen mit dem Guru das größte Geschenk wäre, und dass es einen spirituell erleuchten würde – wenn es das nicht tue, sei man eben von Dämonen besessen und müsse diese bekämpfen.
Auch die Frauen, die nicht die „Ehre“ hatten, Bivolaru zu treffen, kämpfen heute noch mit den Folgen seiner abstrusen Vorstellungen einer guten Yogaschülerin. Bei Bivolarus Tantra-Yoga ging es darum, die perfekte „Shakti“ zu werden. Eine „Shakti“ ist das Idealbild einer Frau im Sinne von Atman – die perfekte Verführerin, die perfekte Liebhaberin. Sie bewegt sich in einer bestimmten Art und Weise und hat große Brüste. Wer zu kleine hat, soll spezielle Yogaübungen machen, die angeblich die Brüste vergrößern.

Strippen für das Karma
Bivolarus ehemaliger Anwalt erzählt, wie die Frauen aus der Yoga-Schule mit abstrusen Erzählungen manipuliert wurden. Der Tantra-Sex der Atman-Schule sei nicht einfach nur Geschlechtsverkehr – es handelt sich dabei um etwas Übersinnliches, gar Heiliges. Mit diesem Argument brachte man junge Frauen dazu, Sex-Chats im Internet anzubieten und in Stripclubs an der Stange zu tanzen. Es ginge um die Missionierung all der Unwissenden da draußen, man müsse sie in die sinnliche Welt des Tantra einführen. Man müsse seine Weiblichkeit entfalten und das Konzept der heiligen Sexualität weitergeben.
„Lucky Love“ in Bukarest, ein Stripclub mit „spirituellem Touch“, bietet Striptease und Tantramassagen an. Angeblich gehört der Club zu Atman und dort arbeiten junge Frauen, die über Bivalorus Yoga-Schule rekrutiert wurden. Beweise gibt es dafür allerdings keine.
Bootcamp für die perfekte Shakti

Einmal im Jahr organisiert MISA ein Sommercamp in Kostinez, einem Ort an der rumänischen Schwarzmeerküste. In der Nebensaison ist der Ort völlig verlassen, im Sommer tummeln sich dort hunderte Yogis. Teilnahmebedingung ist ein Foto von Gesicht und Körper im Badeanzug und ein negativer HIV- und Syphilistest, erzählen Aussteigerinnen. Einige erzählen von einer geheimen Villa namens Veluca, wo Frauen trainiert wurden, die perfekte Shakti zu werden – Sextrainings also. Wenn man sich weigert, die „Übungen“ mitzumachen, dann ist man „blockiert“, und muss sich mehr besinnen. Zu allem Überfluss wird im Zuge des Camps eine „Miss Shakti“ gekürt.
Die Verhaftung des Gurus und die Aufarbeitung des Skandals
Interpol hat jahrelang nach Gregorian Bivolaru gesucht. Ende 2023 hatte das Versteckspiel ein Ende, der Guru wurde in Frankreich festgenommen. Es wurden über Jahre Zeugenaussagen gesammelt, er ist angeklagt wegen Menschenhandel, Entführung, Missbrauch und Vergewaltigung. Bis zu einem endgültigen Gerichtsurteil gilt jedoch die Unschuldsvermutung. Viele seiner Anhängerinnen und Anhänger glauben fest an die Unschuld ihres Gurus. Die „Deutsche Akademie für traditionelles Yoga“ bestreitet jegliche Verbindung zu den Straftaten. Alle Yoga-Schulen Bivolarus wurden schon 2008 vom internationalen Yogaverband ausgeschlossen.
Die Ermittlungen und Zeugenaussagen werfen ein erschreckendes Bild auf die Praktiken der Atman-Schule. Der Fall um Bivolaru zeigt, wie schnell und tief man in ein sektenartiges Konstrukt hineingezogen werden kann. Innerhalb dieser Konstrukte findet leider sehr oft starke Manipulation und Missbrauch statt, ohne dass es einem bewusst wird. Wichtig ist, dass wir den Menschen in unserer Umgebung eine Stütze sind und Ausstiegshilfen anbieten. Wenn man jemanden kennt, den man als gefährdet ansieht oder selbst betroffen ist, kann man sich beispielsweise an die österreichische Bundesstelle für Sektenfragen wenden.
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