Mit einem Vermögen von schätzungsweise 37 Milliarden Pfund, umgerechnet 44 Milliarden Euro, gilt die Hinduja Familie laut den Sunday Times als die reichste Familie Großbritanniens. Und das, aus einem guten Grund: Die Familie leitet einen multinationalen Konzern, die sogenannte “Hinduja-Gruppe”, die in mehr als sechzig Ländern tätig ist. Der Konzern ist in mehreren Spaten tätig, unter anderem im Automobilbau, im Finanzmarkt, der Öl- und Medienbranche, sowie der Informationstechnik. Finanziell könnte es für die britisch-indische Milliardärsfamilie also kaum besser laufen. Sogar einen Wohnsitz in Cologny, eine der teuersten Gemeinden der Schweiz, können sie sich leisten. Dennoch wurden sie nun in Genf wegen der Ausbeutung ihrer Hausangestellten verurteilt.
Welche Vorwürfe gab es überhaupt?
Aufgrund fehlender Aufenthaltsbewilligungen für ihre Hausangestellten musste die Familie bereits 2007 eine Geldstrafe von rund 10.000 Franken bezahlen. Eine Zeit lang war es dann relativ ruhig um den Hinduja-Clan, doch Jahre später kamen erneut schwere Vorwürfe ans Licht: Zahlreiche Hausangestellte sollen jahrzehntelang unter sklavenähnlichen Bedingungen gearbeitet und gelebt haben. Drei ehemalige Angestellte haben die Familie deswegen verklagt und ihnen Menschenhandel vorgeworfen.
Schuften für einen Hungerlohn
Die Angestellten wurden angeblich extra von Indien in die Schweiz gebracht, um dort für die schwerreiche Familie zu arbeiten. Doch gleich bei ihrer Ankunft in der Schweiz sollen den Angestellten die Pässe abgenommen worden sein. Viele der rekrutierten Hausangestellten konnten weder lesen noch schreiben und kamen aus ärmlichen Verhältnissen. Die Familie Hinduja soll diese Lage schamlos ausgenutzt haben.
So berichten zahlreiche Angestellte von 16-Stunden-Tagen ohne Überstundenvergütung. Zwar seien ihnen zwei bis vier Wochen Urlaub im Jahr zugestanden, das allerdings nur unbezahlt. Auch soll der Zeitpunkt des Urlaubs nur von der Familie selbst bestimmt worden sein. Die Arbeiter mussten laut eigenen Angaben jederzeit verfügbar sein, sich rund um die Uhr um Kinder, Haushalt und das allgemeine Wohlbefinden der Familie kümmern, und das für einen Hungerlohn von gerade einmal sieben Schweizer Franken am Tag. Zum Vergleich: Ein einziger Döner in der Schweiz kostet zwischen sieben und zwölf Franken. Hinzu kommt, dass ihnen der Lohn angeblich auf indische Bankkonten überwiesen wurde, auf welche sie keinen Zugriff hatten.
Zudem sollen ihnen Kontakte außerhalb der Familien verboten gewesen sein. Das Grundstück der Hindujas sollen die Angestellten nie ohne Erlaubnis verlassen haben können. Sie berichteten von einem „Klima der Angst“, welches von der Familie geschaffen worden sei. Die Angestellten bekamen scheinbar nur das Nötigste zu essen, und hausten zusammen in einem Luftschutzbunker unter der Villa. Ohne Privatsphäre, ohne Tageslicht.
Der Fall wurde aufgedeckt, als eine der Hausangestellten 2017, statt wie geplant nach Indien in den Urlaub zu reisen, die Genfer Justizbehörden kontaktierte und ihnen die Arbeitsbedingungen schilderte. Daraufhin wurde gegen die Familie Anzeige erhoben.
Die Verurteilung: Ausbeutung ja, Menschenhandel nein
Angeklagt wurden der 79-jährige Prakash Hinduja, der Patriarch der Familie, seine 75-jährige Frau Kamal, ihr 56-jähriger Sohn Ajay und dessen 50-jährige Ehefrau Namrata. Alle vier lebten auf dem Familienanwesen im schweizerischen Cologny. Zusätzlich wurde Najib Ziazi, der als Buchhalter der Familie tätig war, wegen Mittäterschaft angeklagt. Er soll der Familie jahrelang dabei geholfen haben, die Schweizer Gesetze zu umgehen.
Der Staatsanwalt Yves Bertossa verlangte mehrjährige Haftstrafen sowie eine Entschädigungszahlung in Millionenhöhe. Laut einem Bericht der Agentur Bloomberg erklärte er vor Gericht: “Sie haben mehr für einen Hund ausgegeben als für einen ihrer Angestellten”. Berichten zufolge gab die Familie innerhalb eines Jahres 8.584 Franken für ihren Hund aus. Um das noch einmal zu verdeutlichen: Für 8.584 Franken müsste eine Hausangestellte der Hindujas bei einem Tageslohn von 7 Franken ganze 1.226 Tage am Stück arbeiten.
Am 21. Juni 2024 kam es dann schließlich zur Verurteilung. Vom Vorwurf des Menschenhandels wurden die Angeklagten freigesprochen. Das Gericht entschied, dass die indischen Hausangestellten, die für die Familie Hinduja in Cologny arbeiteten, nicht gezwungen wurden, in die Schweiz zu kommen. Dennoch erhielten sie, selbst unter der Berücksichtigung von Kost und Logis, lächerlich geringe Löhne.
Obwohl die Familie eine außergerichtliche Einigung mit den Angestellten erzielt hatte, wurde das Verfahren wegen des Wuchervorwurfs weiterhin verfolgt. Letztlich wurden das Familienoberhaupt Hinduja und seine Frau Kamal wegen gewerbsmäßigen Wuchers zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Ihre Schwiegertochter Namrata und Sohn Ajay erhielten jeweils vier Jahre Freiheitsstrafe. Der Buchhalter bekam 18 Monate auf Bewährung wegen Mittäterschaft. Bei der Urteilsverkündung war die Familie nicht anwesend, da sich der Gesundheitszustand der Mutter verschlechtert habe.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ihre Anwälte kündigen an, Berufung einlegen zu wollen.
Ein Einzelfall?
Wie viele Hausangestellte es in der Schweiz tatsächlich gibt und wie viele davon ausgebeutet werden ist nicht bekannt. Schätzungen zufolge leben laut der Soziologieprofessorin Claudine Burton-Jeangros zwischen rund 10.000 und 15.000 “Sans-Papiers” (Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus) allein in Genf.
Sozialarbeiter Rémy Kammermann, welcher im Genfer Centre social protéstant tätig ist, berichtet dem “Schweizer Radio und Fernsehen” (SRF) jedoch, dass es sich beim Fall-Hinduja “eher um einen Extremfall” handle.
Laut Kammermann lassen sich Hausangestellte in zwei Gruppen einteilen: Die erste Gruppe arbeitet bei mehreren Familien gleichzeitig. Sie erhält dadurch meist eine bessere Bezahlung, auch wenn diese sich immer noch unter dem Genfer Mindestlohn befindet.
Die zweite Gruppe von Hausangestellten arbeitet ausschließlich für einen Arbeitgeber, was ein erhebliches Risiko darstellt. Denn wenn die Angestellten bei ihrem Arbeitgeber wohnen, wird der Arbeitgeber zum Vermieter. Die Angestellten sind dann völlig von ihrem Arbeitgeber abhängig, sowohl finanziell als auch wohntechnisch. Das macht es ihnen kaum möglich, sich aus einem missbräuchlichen Arbeitsverhältnis zu befreien.
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