Circa 15.000 ErntehelferInnen arbeiten jährlich auf Österreichs Feldern. Der überwiegende Anteil von ihnen stammt aus Osteuropa. Deutsch sprechen die meisten kaum. Die ArbeiterInnen kommen in der Regel nur für den Sommer nach Österreich. Ihre Rechte kennen sie nicht. Das macht die Branche anfällig für Arbeitsausbeutung.
DIE KOPPLUNG VON ARBEITSRECHT AN AGRARHILFEN
Die Bekämpfung von Arbeitsausbeutung ist aufgrund ihrer Internationalität längst ein Anliegen der EU geworden. Die portugiesische Ratspräsidentschaft schlug erst im Februar dieses Jahres vor, die Agrarsubventionen an die Einhaltung von Sozial- und Arbeitnehmerrecht zu koppeln. Die Agrarzahlungen sind der größte Posten im EU-Haushalt und betragen jährlich ca. 55 Milliarden Euro. Derzeit werden sie auf europäische Bauernbetriebe nach der Größe der bewirtschafteten Fläche verteilt. Einen Teil bekommen außerdem Behörden und öffentliche Institutionen.
Der Vorschlag des portugiesischen Ratspräsidenten bedeutet vereinfacht gesagt: Landwirtschaftsbetriebe, die sich nicht an das Arbeitsschutzrecht halten, wird die finanzielle Förderung gekürzt oder gar gestrichen. Dies wäre ein starker Anreiz für Landwirte ihre Mitarbeiter angemessen zu bezahlen und zu behandeln. Außerdem würde es ein starkes Signal setzen: Steuergelder in Form von finanzieller Hilfe bekommen nur ehrlich geführte Betriebe.
Doch die österreichische Agrarministerin Elisabeth Köstinger lehnte die Initiative ab. Die Reform der Gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP) sei nicht der richtige Rahmen, um Sozial- und Arbeitnehmerrecht durchzusetzen oder Verstöße zu sanktionieren. Sie warnte außerdem vor Wettbewerbsverzerrung. Der Gegenvorschlag war eine Infokampagne sowie regelmäßige Evaluierung der Beschäftigungsbedingungen der ErntehelferInnen. Neben Österreich gab es eine Ablehnung auch von einigen anderen europäischen Ländern.
ARBEITSAUSBEUTUNG DARF NICHT LEGITIMIERT WERDEN
Die Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel (zu der auch Hope for the Future gehört) sieht diese Ablehnung des portugiesischen Vorschlags kritisch. Eine Infokampagne wäre sicher ein guter Anfang. Die Argumentation des verzerrten Wettbewerbs ist allerdings schwierig nachvollziehbar. Eine Bestrafung von Landwirten, die mit ihren illegalen Methoden Dumpingpreise durchsetzen, wäre ein wichtiger Schritt in Richtung eines fairen Wettbewerbs. Menschenrechte sollten niemals zu Gunsten des Wettbewerbs geopfert werden. Mitarbeiter schlecht zu behandeln, darf keinen Wettbewerbsvorteil darstellen. Die Verhandlungen über die Agrarreform zwischen Ministerrat, EU-Parlament und EU-Kommission dauern noch bis Ende des Jahres an.
SCHWARZE SCHAFE ODER FLÄCHENDECKENDE MISSSTÄNDE?
Zwar gibt es in Österreich strenge gesetzliche Regelungen für die Bezahlung und Unterbringung von ErntehelferInnen, daran wird sich oft jedoch nicht gehalten. Der Mindestlohn beträgt rund 8€ pro Stunde brutto für die harte Feldarbeit. Die Unterkunft darf nicht mehr als 40€ im Monat kosten, inklusive Verpflegung rund 200€. Durch schlechtere Bezahlung, unbezahlte Überstunden und eine schäbige Unterkunft kann die landwirtschaftliche Ware billiger und schneller dem Handel angeboten werden. Das jedoch erhöht den Druck auf bäuerliche Familienbetriebe, die zu diesen Dumpingpreisen nicht liefern können, weil sie ihre Mitarbeiter fair bezahlen.
Immer wieder werden Fälle von Missständen in der Landwirtschaft medial bekannt, etwa 2020 bei Spargelfelder im Marchfeld oder Salatbauern in der gleichen Region. Die Arbeiter bekamen nur die Hälfte des eigentlichen Mindestlohns und mussten davon zu viel für die Unterkunft bezahlen. Die Unterbringung: schäbige Baracken. Die Zustände wiesen auf Arbeitsausbeutung hin. Gegen diese Arbeitgeber wird nun ermittelt.
Während einige Politiker von Einzelfällen sprechen, sehen das Insider der Branche anders. Unbezahlte Überstunden und Manipulation der Stundenaufzeichnungen seien eher die Regel als die Ausnahme. Kontrollen finden nur vereinzelt statt. In der Steiermark beispielsweise kommen auf 3.000 Landwirtschaftsbetriebe gerade einmal 2 Arbeitsinspektoren, die unter anderem für die Kontrollen der Produktionsbedingungen zuständig sind.
Da ein menschenwürdiger Umgang mit den Erntehelfern offensichtlich nicht selbstverständlich ist, befürworten wir, dass dieser gesetzlich stärker geregelt wird. Die moderne Sklaverei und die Arbeitsausbeutung darf in Österreich nicht wegen besserer Wettbewerbschancen stattfinden!