Alles nur S(c)hein – Finger weg von Fast Fashion

Bei Fast Fashion gilt Quantität vor Qualität. Kleidungsstücke werden gekauft, ein paar wenige Male getragen und wieder aussortiert. Was mit diesen Klamotten dann passiert und welche drastischen Auswirkungen Fast Fashion auf die Umwelt, aber auch auf Menschen hat, und welche Lösungsansätze es gibt, erfährst du in diesem Artikel!

DAS GANZE JAHR „AUSVERKAUF“

Fast Fashion prägt zurzeit die Modewelt und somit die Kleiderschränke der Österreicherinnen und Österreicher. Influencer auf Instagram, TickTock und Co. präsentieren täglich neue Trends und verlinken die Outfits mit dem Webshop, wo man gleich mit nur wenigen Klicks bestellen kann. Doch was ist Fast Fashion eigentlich? Das Cambridge Dictionary definiert Fast Fashion als Kleidung, die so billig produziert und verkauft wird, sodass sich Konsumentinnen und Konsumenten häufiger neue Kleidung leisten können.

Früher gab es grundsätzlich 4 Kollektionen, eine zu jeder Jahreszeit. Heute schaffen es Moderiesen, bis zu 52 Mini-Kollektionen für den Store bzw. den Onlineshop herauszubringen. Damit dies gelingt und rentabel ist, wird die Produktion in Billiglohnländer ausgelagert. 120 Milliarden neue Kleidungsstücke werden jährlich auf der ganzen Welt produziert. Jedes fünfte erworbene Kleidungsstück wird laut Greenpeace so gut wie nie getragen. Einer der Gründe, warum mehr Klamotten eingekauft werden als nötig, ist natürlich der Schnäppchenpreis. Selbst wenn das Monatsgehalt schon etwas knapp ist, hat man kein schlechtes Gewissen, mehrere Teile zu kaufen, wenn diese so gut wie nichts kosten. Neben einen unstillbaren Durst nach den neuesten Trends, der von der Modebranche kreiert wird, darf nicht vergessen werden, dass natürlich auch die exponentiell steigende Weltbevölkerung dazu führt, dass mehr Kleidung hergestellt, und somit entsorgt werden muss.

MINDERWERTIGE WARE

Fast Fashion verursacht vielerlei Probleme. H&M, Zara und Co. werden natürlich bei weitem nicht alle Teile einer Kollektion los und die unverkaufte Ware muss aus den Regalen verschwinden, um Platz für die neue Mode zu machen. Was geschieht mit den überflüssigen Kleidungsstücken? Einige landen in Osteuropa, zum Beispiel in Bulgarien, wo die arme Bevölkerung die Textilien zum Heizen ihrer Häuser verwendet, wenn sie sich kein Brennholz leisten kann. Dasselbe passiert leider oft mit ausrangiertem Gewand, das man in die Altkleidercontainer am Straßenrand wirft. Die Säcke gelangen zu Sammelstellen und werden inspiziert, doch nur sehr wenige Kleidungsstücke sind so gut erhalten, dass sie als Second-Hand-Ware verkauft oder wiederverwertet werden können.

Hamburg hat vor einem Jahr damit begonnen, alle Altkleidercontainer abzubauen, weil die Stadt mit der Flut an aussortierten Textilwaren nicht mehr nachkommt. Außerdem rentiert sich der Verkauf an einen Textilverwerter nicht mehr, da sich die meisten Fast Fashion Produkte nicht einmal mehr für die Umwandlung in ein Putztuch eignen – zu minderwertig ist die Qualität der Stoffe. Die Kosten für eine fachgerechte Vernichtung der Kleider ist in den letzten Jahren stark gestiegen.

AUS KLEIDERN WIRD KLEIDUNG – EINE LÜGE DER MODEINDUSTRIE

Nachdem es immer mehr Menschen ein Anliegen ist, nachhaltig zu konsumieren, springen Modeunternehmen auf den Zug auf und bieten vermeintlich „recyclebare“ Mode an. Außerdem kann man bei H&M seit 2013 sogenannte „Schrankleichen“ in die Geschäftsfilialen zurückbringen. Ein Textilfachmann der Hochschule Reutlingen aber hält fest, dass die Behauptung, es gäbe Recycling in Form von „aus Kleidung wird Kleidung“ schlichtweg falsch ist.

ALTKLEIDER-BERGE IN DER WÜSTE

Auch die Atacama-Wüste in Chile leidet unter dem Überkonsum an Billigtextilien. Etwa 40 Tonnen werden dort jährlich abgeladen. So manche Kleidung, die die Modehändler hierzulande nicht verkaufen, wird nach Lateinamerika exportiert. Die Hafenstadt Alto Hospicio ist eine wichtige Drehscheibe. Brauchbare Stücke werden aussortiert und weiterverkauft, der Rest landet in der nahegelegenen Wüstenlandschaft, was eine Reihe von Problemen verursacht. Durch das trockene Klima entstehen immer wieder Brände, die synthetischen Stoffe brennen gut und verursachen Luftverschmutzung. Obwohl die Bevölkerung unter den Müllbergen leidet, ist die Stadt logistisch und finanziell nicht in der Lage, das illegale Entsorgen von Kleidung in der Wüste zu verhindern.

SHEIN – DIE TRENDIGSTE FAST-FASHION-APP

Die chinesische Shopping-App Shein hat längst den österreichischen Markt erreicht. Das Unternehmen wurde im Jahr 2008 gegründet und ist seither rasch gewachsen. Wer sich in den auf Shein gekauften neuen Jeans ablichten lässt und das Foto in der App hochlädt und das Produkt bewertet, sammelt Punkte. So spart man auf die ohnehin spottbilligen Kleidungsstücke weitere Euros. Fashion-Influencer präsentieren ihren Einkauf gerne auf ihren diversen Social Media-Kanälen und wecken damit die Kauflust ihrer Follower.

AUSBEUTERISCHE UNTERNEHMENSSTRUKTUR

Der Erfolg der Billig-Fashion-App schadet zum einen der Umwelt, da 60 Prozent ihrer Kleidung aus Polyester und weitere 30 Prozent aus anderen chemischen Fasern bestehen, zum anderen fand die Schweizer NGO Public Eye heraus, unter welch prekären Bedingungen die günstigen Kleider hergestellt werden. Offenbar produziert Shein in 17 Betriebsstätten, die meisten davon in einer Millionenstadt namens Guangzhou im Süden Chinas. Hier findet man mehrere Fabriken nebeneinander, einquartiert in einstigen Wohnhäusern. Mitarbeiter berichten, dass sie dort bis zu 75 Stunden pro Woche arbeiten und gerade einmal einen Tag im Monat frei haben. Laut chinesischem Arbeitsgesetz ist dies illegal.

QUANTITÄT VOR QUALITÄT

Die meisten Arbeiterinnen und Arbeiter in Chinas Textilindustrie sind aus der Provinz, wo das Lohnniveau viel tiefer ist. Man müsse schnell arbeiten, um mehr Geld zu verdienen, da man pro fertiggestelltes Kleidungsstück bezahlt werde, berichten Shein-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – dies sei aber möglich, da die Qualitätsansprüche ohnehin nicht hoch seien. Keiner der befragten Angestellten hat je einen Vertrag unterzeichnet. Ein Grundgehalt oder eine Überstundenentschädigung gibt es nicht. Das Fazit der Recherche lautet: „Shein macht es sich systematisch zunutze, dass diese Arbeiterinnen und Arbeiter bereit sind, auf ein Mindestmaß an Sicherheit, Freizeit und Lebensqualität zu verzichten – weil sie kaum eine Alternative haben“.

VON DER WIEGE ZUR WIEGE

Klar ist, dass es so nicht weitergehen kann. Viele schlaue Köpfe haben überlegt, wie gegen den Fast-Fashion-Trend nachhaltig vorgegangen werden kann. Der Inhaber einer Altkleiderverwertung würde beispielsweise eine Steuer auf Kleidung festsetzen – sowohl für die Modefirmen als auch für die Konsumentinnen und Konsumenten. So könnte ein Anreiz gegeben werden, bewusster einzukaufen.

Das große Ziel ist, den Fokus wieder mehr auf Qualität und Nachhaltigkeit zu lenken. Eine der Gegenbewegungen nennt man Slow Fashion, aber auch „Cradle to Cradle“ (übersetzt: von der Wiege zur Wiege) wird immer beliebter bei jungen, zukunftsorientierten Modeherstellern. Dieser Ansatz hat zum Ziel, abfallfreie Wirtschaft in Form von ausgeklügelten Kreisläufen zu entwickeln. Es gibt mehrere Unternehmen, die wirklich nachhaltige Kleidungsstücke herstellen. Die deutsche Firma Merz B Schwanen macht im wahrsten Sinne „Slow Fashion“. Sie nutzt altmodische Maschinen, die eine Stunde brauchen, um Stoff für ein einziges T-Shirt herzustellen. Ihre Designs spiegeln keine aktuellen Trends wieder, sondern sind schlicht und zeitlos. Auch das schwedische Mode-Startup ASKET macht „Anti-Fashion“. Es bringt im Jahr lediglich eine einzige Kollektion heraus und die Herkunft aller Materialien, von der Faser bis zum Knopf, soll für die Kundin und den Kunden nachvollziehbar sein.

Es reicht aber nicht aus, nachhaltige Kleidung zu kaufen. Ein bisschen Minimalismus würde uns allen nicht schaden. Vor dem Kauf sollte man überlegen, ob man dieses Teil auch wirklich braucht und man es auch wirklich regelmäßig tragen wird. Anstatt immer den neuesten Trends zu folgen, ist es besser, seinen eigenen Stil zu kreieren. Kleidungsstücke, die einem nicht mehr gefallen, könnte man versuchen, im Bekanntenkreis weiterzugeben. Löcher flicken und zusammennähen ist natürlich auch eine gute Möglichkeit, um länger Freude am Lieblingsteil zu haben. Wo weniger Nachfrage ist, wird auch weniger produziert – so kann jeder einzelne etwas bewirken im Kampf gegen die Fast-Fashion-Industrie.