Es ist ein brisantes Thema, das rund um in E-Autos verbaute Lithium-Akkus kursiert. Soll man nun Autos dieser Art kaufen, um die Umwelt in den westlichen Ländern zu schützen, oder soll man es aus ethischen Gründen nicht tun? Es scheint fasst bizarr. Um Kinder in deutschen Städten von Stickoxiden zu schützen, müssen Kinder anderorts auf der Welt dafür schuften. Doch warum ist das abgebaute Kobalt solch ein Problem? Bedeutet der Rohstoff doch für den reichen Westen die Reduktion von CO2 Ausstößen und somit den Schutz des Klimas. Der Schutz von Kindern beim Arbeiten bleibt jedoch aus. Und das nicht nur im Falle von E-Autos, sondern vieler weiterer Elektrogeräte.
KOBALT – DAS LITHIUM-AKKU-METALL DER INDUSTRIENATION
Kobalt ist ein glänzendes, silbernes Metall, dass schon seit längerer Zeit eine wichtige Rolle innerhalb der Industrie einnimmt. Ob in Legierungen, Färbemitteln, Hartmetallen oder Magneten. Möchte man urban und am Puls der Zeit leben, kommt man daran nicht vorbei. Unzählige Industrieerzeugnisse unterschiedlicher Bereiche enthalten das Metall. Unter anderem Verbrennungsmotoren, E-Motoren, Gastrubinen oder Gitarrensaiten.
Gemixt mit anderen Materialien, wird es vor allem zur Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien verwendet. Kobalt ist hier ein sogenanntes Kathodenmaterial, also eine Elektrode, die Elektronen aufnimmt und so für die Energiegewinnung in der Batterie sorgt. In die Batterie verwoben dient das Kobalt am Ende Smartphones, Staubsaugern und Co. zum Laden.
Dass der Abbau von Kobalt in der Diskussion steht, ist schon lange klar. Doch bis jetzt waren es vor allem die „bösen“ Elektroautos, die für Aufruhr innerhalb der westlichen Bevölkerung gesorgt haben. Personen, die kein Elektroauto fuhren, waren dahingehend der Ansicht, dass das „Problem Kinderarbeit“ beim Abbau nur ein „Autoproblem“ war. Doch, was die meisten nicht bedenken: Jegliche Endgeräte können Bestände von Kobalt aufweisen. Somit ist das Thema ein geräteübergreifendes Problem.
Kauft man Elektrogeräte, egal welcher Art, ist in Conclusio die Kinderarbeit in vielen Fällen mit dabei, zumal die Lieferketten nicht immer eindeutig nachvollziehbar sind.
ÜBERLEBEN STATT LEBEN
Die Geschichte über die Rolle der Kinderarbeit in Zusammenhang mit Lithium-Akkus und Kobalt ist eine verworrene und langwierige. Schon früh kauften chinesische Konzernriesen Land auf, um dort industriell das Kobalt abzubauen. Das Ergebnis waren immer mehr Arbeitslose und Armut innerhalb des Kongos, trotz Rohstoffreichtums.
Da die Familien anderorts auch wenig Aussichten haben, treibt sie der Hunger dazu, illegal Kobalt abzubauen. Oft gemeinsam mit ihren Kindern. Die Eltern können nicht für das teure Schulgeld aufkommen. Kinder sind gezwungen, schon in jungen Jahren mitzuhelfen und für sich selbst im Zuge des Abbaus aufzukommen. Daher ruht auch die Kindearbeit in diesen Segmenten.
Berichten zufolge werden Tonne über Tonne an Material im Kongo durch solche Abbaumethoden gewonnen. Der Dank dafür ist ein noch schlechterer Lohn als bei Erwachsenen, bei mehr Aufwand und einem größeren Lebensrisiko für die Kinder. Und immer noch ziehen die Familien das Schürfen dem Tod oder dem Leben in Armut vor, ist der Verdienst mehr als in der Landwirtschaft. Die Entscheidung zwischen Arbeit und Schulbildung ist also eine leichte für Eltern.
FÜR EIN BISSCHEN LEBEN GRABEN SIE LÖCHER INS WOHNZIMMER
In der Öffentlichkeit scheint es so, dass der Abbau von Kobalt bedeute, einfach nur etwas auszugraben. Aber es ist weit mehr als einen Spaten in die Hand zu nehmen. Es ist eine Lebensaufgabe, die viele Leben und das eigene Land zerstört. Die meisten Kleinschürfer graben nämlich nicht auf freiem Land, sondern aus der Not heraus oft im eigenen Wohnland oder an illegalen Orten. Die Menschen graben buchstäblich Löcher in ihre eigenen Wohnzimmer, für ein paar Cent. Und das ist kein Einzelfall. Mehr als die Hälfte des weltweit bekannten Kobalterz-Vorkommens kommt aus dem Kongo. Viele werden von der Industrie unter Standards abgebaut. Das hilft jedoch den ansässigen Bewohnern nichts. Auch sie müssen überleben und stürzen sich im wahrsten Sinne des Wortes in unregulierte Minen-Kooperationen.
Bis zu 45 Meter sind die Löcher zum Schürfen tief und sind mit teils instabilen Untertagelabyrinthen durchquert. Kinder und Eltern arbeiten zu jeder Zeit ohne Mundschutz und Barfuß. Die abgebauten Erze werden dann zu nahegelegenen Bächen getragen, um sie zu waschen und zu sortieren, was wiederum das angrenzende Trinkwasser verschmutzt und unbrauchbar macht.
Alle Böden sind sehr brüchig. Die Arbeit ist tückisch. Sowohl beim Waschen als auch beim Abbauen. Täglich gibt es Unfälle. Menschen werden lebendig unter den Massen an Erde begraben. Diejenigen, die überleben, atmen Unmengen an giftigen Kobaltstaubes ein und sterben verfrüht an Lungenerkrankungen.
Je tiefer die Schächte, desto enger werden sie auch. Genau hier kommt – ähnlich wie beim Abbau von Mica – Kinderarbeit ins Spiel. Siebenjährige suchen unter Tage nach Metall. Bis zu 12 Stunden arbeiten die Minderjährigen für einen Lohn von ein bis zwei Dollar durchschnittlich.
Bei Erdrutschen können Minen leicht einstürzen, bei Regen kommt es häufig zu Überschwemmungen. Es gibt kaum Sicherheitsmaßnahmen und viele Kindern arbeiten ohne festes Schuhwerk oder Helme. Der eingeatmete Staub ist unerbittlich und führt zu Embolien, dem Tod oder jahrelangen, gesundheitlichen Torturen, ohne medizinische Versorgung. Das, was ihnen beim Abbau passiert, wird als gegeben hingenommen. Als Opfer, das man zum Wohl der Familie erbringen muss. Um zu Leben. Da die Ärzte wie auch das Schulgeld zu teuer sind, werden die Wunden mit schmutzigen Lumpen oder dürftig abgekochten Tüchern versorgt. Solange, bis sich die Wunde entzündet und das Kind arbeitsunfähig wird, oder stirbt. Bei Erdrutschen droht sogar der sofortige Tod.
Wer überlebt, der muss täglich wieder ans Neue an die Arbeit. Stollen graben. Von Hand. Ohne Equipment oder mit rostigen Schaufeln, Glasscherben oder Müll, den sie auf der Straße finden.
Die Kinder verbringen nicht selten den ganzen Tag inklusive Nacht in den gebauten „Tunneln“. Sie sind so tief gegraben, dass man überhaupt nur schwer wieder hinauskommt.
Die Organisation UNICEF schätzt sogar, dass innerhalb eines Jahres ungefähr 40.000 Jungen und Mädchen in Minen im Süden der Republik arbeiten müssen.
ABBAU SCHAFFT AUCH LANDWIRTSCHAFTLICHE PROBLEME
Nicht nur der Abbau selbst ist direkt schädlich. Auch indirekt fördert der Abbau von Kobalt Umweltschäden und somit gesundheitliche Folgen. Bergbau verseucht vielerorts Böden, Luft und Wasser. Ackerland kann nicht mehr mit dem verschmutzten Wasser gegossen werden. Pflanzen gehen ein. Giftstoffe können durch den Boden in die Nahrung gelangen, nutzt man doch das stark toxische Wasser.
ES FEHLEN SCHUTZMECHANISMEN UND SANKTIONEN
Wie bei jedem illegalen Raub-Abbau fehlen Schutzmechanismen seitens Staates, regionaler Vertretung und Gesetze, die strenger sind. Es wird kaum kontrolliert, ob die Arbeitskräfte das gesetzliche Mindestalter erreichen. Mehr als die Hälfte der Kinder ohne öffentlichen Schutz.
Unternehmen haben bereits erste Projekte gestartet, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und Kinderarbeit zu unterbinden. Einige Autohersteller verzichten sogar komplett auf Kobalt, speziell aus dem Gebiet Kongo.
Es ist jedoch ein schmaler Grat, zumal man den Abbau nicht komplett eliminieren kann. Zum einen, da das natürliche Vorkommen die Hälfte beträgt. Zum anderen, da es wie beim Abbau von Kakao, Bananen und Co. für Millionen Menschen zu einer wirtschaftlichen Katastrophe führen könnte, ihnen das geringe, erwirtschaftete Geld zu nehmen.
BESSER: FAIRES KOBALT SICHERSTELLEN
Ein besserer Weg ist hier, dass Auto und Elektrogerätebauer sowie Batterieprodukten sicherstellen sollten, faires Kobalt zu kaufen. Auch die Kunden sollten dies im Hinterkopf behalten. Ein Fairtrade-Siegel, ähnlich wie bei Lebensmitteln kann hierbei sicher sehr hilfreich sein. Auch die Batterie-Verordnung innerhalb der EU könnte noch eine weitere wichtige Leitplanke setzen.
Die ITRI Tin Supplay Chain Initiative setzt überdies auf eine mehrstufige Versiegelung, sodass weitestgehend sichergestellt werden kann, dass die Mineralien aus konfliktfreien Regionen kommen und nicht mit Hilfe von Kinderarbeit abgebaut werden. Dazu werden lokale Gutachter bestellt, die überprüfen, dass eine Mine diese bestimmten Kriterien erfüllt. Die Endergebnisse aus dieser fairen Lieferkette werden dann in speziell gekennzeichnete Säcke gefüllt und nur unter Aufsicht eines weiteren Gutachters wieder erneut geöffnet. So kann ein „sauberer“ Ursprung der Rohstoffe entlang der gesamten Lieferkette belegt und gewährleistet werden. Zwar besteht immer noch ein Schmuggel-Risiko, doch wäre es ein erster Schritt, auch kinderarbeitsfreies Kobalt garantieren zu können. Für die Industrie wäre dies leicht umzusetzen. Für Einheimische müssten dann jedoch neue Jobs geschaffen werden, da diese sonst noch mehr in die Armut abrutschen.
Auch der Druck auf die chinesischen Zulieferer kann vermehrt werden. Europäische Betriebe sollten ihre Macht nutzen, um aktiv die Lebenslage der Kinder im Kongo zu verbessern. Denn bisher kommt das große Geld der Automobilländer kaum bei den Menschen im zentralafrikanischen Land an.
Auch komplett kobaltfreie Autos sind möglich. Unlängst wurden Natrium-Ionen-Akkus vorgestellt, die ohne die teuren Rohstoffe, Kobalt, Lithium, Kupfer und Nickel auskommen. Ab 2023 sollen diese bereits massenhaft verbaut werden.
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