Für viele Menschen ist es unfassbar, dass Menschenhandel, die moderne Form der Sklaverei, überhaupt noch existiert. Wenn wir das Wort ‘Sklaverei’ lesen, denken wir unweigerlich: ‘Aber die wurde doch abgeschafft! Wie kann das sein?’.
Heutzutage sind Sklaverei und Leibeigenschaft offiziell in allen Staaten der Erde illegal. Der erste Staat Europas, der die Sklaverei abschaffte, war Dänemark im Jahr 1722 und der letzte war Mauretanien, hier wurde die Sklaverei erst 1980 illegal. Die moderne Sklaverei bedient sich aller Formen von Gewalt und existiert weiter, indem sie sich juristischer Legalität entzieht. Besitzurkunden sind nicht mehr möglich, dennoch können verzweifelte und arme Menschen in Abhängigkeitsverhältnisse gezwungen werden und somit dem Willen von anderen unterworfen sein.
WIE GENAU WERDEN ALSO DIE MENSCHEN, WELCHE HEUTE IN ABHÄNGIGKEITSVERHÄLTNISSEN DER MODERNEN SKLAVEREI LEBEN MÜSSEN, ZU BETROFFENEN?
Zum einen stammen einige der Betroffenen selbst von Sklaven ab und werden somit bereits in die moderne Sklaverei hineingeboren. Andere werden von ihren eigenen Familien an Menschenhändler*innen verkauft und hatten nie eine andere Wahl. In den übrigen Fällen geraten die Personen durch Anwerbung mittels Versprechungen, Betrug oder Verführung in ausbeuterische und oft gewalttätige Verhältnisse aus denen sie dann nur äußerst schwierig wieder herausfinden. Eine Anwerbung kann über persönliche Bekanntschaften oder professionell über Inserate stattfinden.
Bei persönlichen Bekanntschaften sind es beispielsweise ehemalige Sklaven und Sklavinnen, die nun selbst wiederum Personen mittels falschen oder überzogenen Versprechungen anwerben. Zum Zweck der Rekrutierung gewinnen die Werber*innen das Vertrauen der Personen. Vor allem Menschen in Flüchtlingslagern oder sehr armen Regionen werden zum Ziel der Rekrutierungsversuche. Wer kein Einkommen, eine hohe Migrationsbereitschaft, Fürsorgepflichten oder Beeinträchtigungen hat, will gerne glauben, wenn jemand für eine Chance auf eine bessere Zukunft wirbt. Wenn einmal das Vertrauen der Personen gewonnen wurde, werden sie zu anderen Orten transportiert. Menschen, die auf eine bessere Zukunft hoffen. Kooperieren bereitwillig und zahlen oft auch noch hohe Summen, um an einen ihnen gänzlich unbekannten Ort gebracht zu werden. Der Transport geschieht also oft noch unter Einwilligung der Betroffenen. Erst anschließend, wenn klar wird, dass die Versprechungen falsch waren, werden die Betroffenen durch Drohungen oder physische sowie psychische Gewalt unter die Kontrolle der Ausbeuter*innen gebracht. Prügel, Isolation, Vergewaltigung oder auch Verabreichung von Drogen sind gängige Mittel um Menschen in ausbeuterische Verhältnisse zu zwingen.
Bei Anwerbungen über Inserate wird mittels Betrug rekrutiert. Es werden Stellen ausgeschrieben, die gar nicht existieren oder es werden falsche Informationen über Einkommensmöglichkeiten oder Karrieremöglichkeiten ausgegeben. Die meist verzweifelten Personen melden sich dann auf eigene Initiative bei den Anwerber*innen und ahnen nicht, dass auf den ersten Kontakt hin nur mehr Verschleppung und Ausbeutung auf sie warten. Es erscheint den Personen meist als eine Chance auf eine erfolgreiche Zukunft jenseits der Armut oder Krankheit, stattdessen erfahren sie nichts als Gewalt und Unterwerfung.
Die so rekrutierten Personen, sowohl Erwachsene als auch Kinder, landen auch in Österreich in verschiedensten Tätigkeitsbereichen.
Typische Wirtschaftsbereiche der modernen Sklaverei sind Hausarbeit, Babysitten, Gebäudereinigung, Hotelbetrieb, Gartenarbeit, Landwirtschaft, Saisonarbeit, Bauwirtschaft, Casinobetrieb, Schönheitssalons, Nähereien und nicht zuletzt Stripklubs und Prostitution.
REKRUTIERUNG ZUM ZIEL DER SEXUELLEN AUSBEUTUNG BEDIENT SICH ZU BEGINN VORRANGIG EMOTIONALER ERPRESSUNG, NÖTIGUNG UND PSYCHISCHER GEWALT
Eine vor allem zum Zweck der sexuellen Ausbeutung gängige Methode ist die Verführung von Personen mit vorgespielten Romanzen oder falschen Eheversprechen.
Die sogenannten „Loverboys“ sind Anwerber, meist in einem Alter zwischen 18 und 30 Jahren, die Mädchen oder jungen Frauen eine Liebesbeziehung vorspielen. Die Mädchen und Frauen werden von Familie und FreundInnen isoliert und in eine emotionale Abhängigkeit manipuliert. Die Frauen fühlen sich dazu gezwungen ihrem “Liebhaber” ihre Gefühle zu beweisen, indem sie ihm finanziell helfen. Dieses Geld sollen sie dann durch Prostitution verdienen. Psychische und physische Gewalt kommen zum Einsatz. Es kann Drohungen auch gegen Familie oder Bekannte geben. Oft sind auch verschiedenste Drogen im Spiel. Das Ziel der vorgespielten Beziehung ist von Anfang an das Mädchen oder die Frau sexuell auszubeuten, um viel Geld an ihr zu verdienen. Die Zahlen des Lageberichts des Bundeskriminalamts zeigen wie häufig Menschenhandel in Form von Zwangsprostitution in Österreich vorkommt. Bei 70 % der Fälle von Menschenhandel, die in Zentral- und Südosteuropa aufgedeckt wurden, handelte es sich um sexuelle Ausbeutung. Zwangsprostitution gehört somit tragischerweise auch in Österreich zum Alltag und ist bei uns die häufigste Form des Menschenhandels.
DER WEG RAUS AUS DER MODERNEN SKLAVEREI IST SEHR VIEL SCHWERER ALS DER EINSTIEG
Menschen, die von moderner Sklaverei betroffen sind, stammen meist aus armen oder schwierigen sozialen Verhältnissen und hatten oft ohnehin schlechte Chancen auf ein Leben in Sicherheit und Würde. Die ausbeuterischen Verhältnisse der modernen Sklaverei, in Österreich meist in der Zwangsprostitution, hinterlassen zusätzlich zu den ökonomisch schlechten Bedingungen noch große Narben auf den Seelen der Menschen. Die Personen sind schwer traumatisiert, oft bei schlechter Gesundheit und haben oft jedes Vertrauen in Andere verloren. Viele verlieren jede Hoffnung und ergeben sich der Ausbeutung. Doch selbst auf diejenigen, die Mut und Kraft finden und sich für einen Ausstieg entscheiden, warten Hürden und Schwierigkeiten. Wer jenseits der Ausbeutung Fuß fassen will, braucht eine Einkommensperspektive außerhalb der bisherigen Arbeitsbedingungen.
Ein juristisches Verfahren zur Strafverfolgung der Menschenhändler*innen, welche die Betroffenen in die moderne Sklaverei gezwungen haben, löst noch lange nicht alle Probleme, die auf die Aussteiger*innen warten. Schutzhäuser können vorläufig Unterkunft gewähren und Beratungsangebote können über die gesetzlichen Bedingungen in Österreich aufklären und bei Behördenwegen unterstützen. Um jedoch dauerhaft einen Ausstieg zu schaffen und eine tragfähige Perspektive für eine gewaltfreie Zukunft zu finden, brauchen die Betroffenen eine solide Begleitung und Unterstützung für eine gelungene Integration am legalen Arbeitsmarkt. HOPE FOR THE FUTURE bietet Workshops für Aussteiger*innen und ein Arbeitsintegrationsprojekt um hoffnungsvoll in eine neue Zukunft starten zu können.
Wir freuen uns, wenn Sie die Arbeit von HOPE FOR THE FUTURE unterstützen – sei es finanziell oder indem Sie ihre Zeit spenden.