Podiumsdiskussion Strukturelle Hürden beim Arbeitsmarktzugang

Seit Jahren setzt sich unsere Obfrau Andrea Staudenherz dafür ein, den Zugang zum Arbeitsmarkt für Personen mit Migrationshintergrund zu erleichtern. Viele unserer Klient:innen haben traumatische Gewalterfahrungen erlebt und fallen oft durch das System.

Im Rahmen der Podiumsdiskussion am 19. September 2024 – organisiert von der Plattform „GEGEN AUSBEUTUNG UND MENSCHENHANDEL“ – wurde deutlich, wie hoch die bürokratischen Hürden für den Zugang zu legalen und abgesicherten Arbeitsstellen sind.

cphoto | Christina Pichler

Alle Diskutant:innen waren sich einig: Wenn der Arbeitsmarkt nicht geöffnet und der Zugang erleichtert wird, können sich die Umstände nicht ändern.

Die Podiumsdiskussion mit dem Titel „Strukturelle Hürden beim Arbeitsmarktzugang – Nährboden für Ausbeutung und Menschenhandel?“ fand in Wien statt. Die Veranstaltung begann mit Fallbeispielen, gefolgt von einer wissenschaftlichen Einordnung des Themas aus kultur- und sozialanthropologischer Perspektive durch Marta L. Dubel. Den Abschluss bildete eine Podiumsdiskussion mit fünf Expert:innen, die die aktuellen Zustände und Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarktzugang erörterten.

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Renate Bárány, Gründungsmitglied von Hope for the Future, berichtete vom Schicksal von ‚Rosa‘, einer alleinerziehenden Mutter aus Nigeria mit zwei Kindern, die an ADHS und Autismus leiden und besondere Unterstützung benötigen.
Rosa verlor ihre Anstellung, nachdem die Kindergartenplätze ihrer Kinder gestrichen wurden, und seitdem steckt sie in einem Teufelskreis bürokratischer Abhängigkeiten fest, den sie seit Jahren nicht durchbrechen kann.
Frau Bárány verdeutlichte anhand dieses Einzelschicksals, wie unkooperativ viele Behörden agieren. Betroffene müssen sich an Fristen halten, doch die Behörden nicht. Anträge werden gestellt, deren Bearbeitung oft Monate dauert – währenddessen verfallen Fristen und die Ansprüche der Betroffenen.

Die verschiedenen Behörden kommunizieren nicht miteinander, haben wenig bis gar keinen Einblick in die Akten der anderen Stellen, und die Zuständigkeiten sind oft unklar, was zu langen Bearbeitungszeiten führt. Selbst Menschen mit Deutsch als Muttersprache scheitern häufig an diesen Hindernissen – für jene, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, ist es nahezu unmöglich, den Bürokratie-Dschungel zu durchdringen.

In ihrem Vortrag zeigt die Wissenschaftlerin Marta L. Dubel verschiedene Facetten auf, wie vielschichtig Abhängigkeitsverhältnisse gesponnen werden. Personen werden unter falschen Versprechungen nach Österreich gelockt, ihnen werden die Dokumente abgenommen, und so werden sie „gefangen gehalten“. Sie werden kontinuierlich unter Druck gesetzt, indem ihnen klargemacht wird, dass ihre Dienstleistungen nicht mehr nachgefragt oder ihr Lohn nicht ausgezahlt wird, falls sie die Forderungen nicht erfüllen. Männer und Frauen werden in unterschiedlichen Sektoren ausgebeutet, die Herangehensweise ist jedoch oftmals sehr ähnlich. 

Die Coronakrise machte deutlich, dass Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich gebraucht werden, doch die Politik ist nicht bereit, über einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt zu sprechen. Eigentlich ganz im Gegenteil: der Bedarf an Arbeits- und Fachkräften wird getrennt von der sogenannten „Einwanderungspolitik“ behandelt. Die derzeitigen EU-Gesetze führen oft dazu, dass Personen mit Migrationshintergrund in prekäre und aussichtslose Beschäftigungsverhältnisse geraten – Verhältnisse, die darauf ausgelegt sind, Menschen auszubeuten.

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Mag.a Katharina Luger, MBA, stellvertretende Landesgeschäftsführerin, AMS Wien, DSA Angela Ivezic, Leiterin der Frauenberatung der arbeitsmarktpolitischen Beratungseinrichtung für Migranten und Migrantinnen – MIGRANT, Andrea Staudenherz von Hope for the Future (Arbeitstrainings als Ausweg aus Menschenhandel und Zwangsprostitution),  Katie Klaffenböck von der Arbeitsgruppe gegen Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung im Rahmen der Task Force gegen Menschenhandel sowie Markus Zingerle von MEN VIA diskutierten die Auswirkungen der aktuellen Beschränkungen des Arbeitsmarktzugangs für Betroffene. Alle angeführten Personen verbindet ein Element: das Unverständnis der bürokratischen Hürden in Österreich. Bei diversen Erzählungen aus der Praxis zeigt sich jedes Mal deutlich, dass die Hilfe von ehrenamtlichen Personen dringend gebraucht wird, da ansonsten Menschen mit Migrationshintergrund einfach im Stich gelassen werden würden.

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Unsere Obfrau – Andrea Staudenherz – betonte beispielsweise, dass es erhebliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen rund um den Erwerb von Arbeit gibt. Während Männer oft daran gewöhnt seien, sofort Arbeit aufzunehmen und arbeiten zu müssen, liegen bei Frauen häufig so schwere sexuelle Traumata vor, dass diese zuerst aufgearbeitet werden müssen.  Zudem müsse bedacht werden, dass Menschen mit Migrationshintergrund oft so viele unterschiedliche traumatische Erfahrungen erlebt haben, dass ihnen schlichtweg die kognitiven Kapazitäten fehle, um innerhalb weniger Wochen Deutsch zu erlernen. Markus Zingerle von MEN VIA wies außerdem darauf hin, dass Männern häufig der „Opferstatus“ nicht geglaubt wird. Stattdessen werden sie oft als „Mittäter“ oder Betrüger betrachtet.

Wie ist wirklich, wenn Frau/Mann in der Abhängigkeitsfalle gefangen ist? Wie sieht der Alltag aus? Kann in irgendeiner Art und Weise wirklich von Selbstbestimmung gesprochen werden?
Haben betroffene Personen die Möglichkeit da rauszukommen? 

Die Diskutant:innen sind sich einig: es ist schwer – sehr schwer. Oftmals ist es sogar für Personen, die schon seit Jahren in diesem Bereich – ehrenamtlich oder auch erwerbstätig – arbeiten, schwierig, die bürokratischen Hürden zu durchschauen und festzustellen, warum ein Antrag genehmigt und ein anderer abgelehnt wird. Es werden Schlupflöcher gesucht und mit viel Erfahrung und guten Netzwerken auch gefunden… Doch ohne Hilfe, sind Betroffene oftmals den Umständen ausgeliefert. 

Die Veranstaltung machte auch deutlich, dass diese Probleme nicht nur eine administrative Ebene betreffen, sondern tief in das tägliche Leben der betroffenen Menschen eingreifen. Die fehlende Koordination zwischen den Behörden sowie die Komplexität der Regelwerke führen zu einem Teufelskreis aus Unsicherheit und Abhängigkeit. Gerade in Bereichen wie Aufenthaltsbewilligungen und Arbeitsgenehmigungen zeigt sich, wie dringend notwendig es wäre, bürokratische Abläufe zu vereinfachen und die Rechte von Menschen mit Migrationshintergrund zu stärken. Stattdessen bleibt vieles vage und undurchsichtig, was den engagierten Organisationen und Ehrenamtlichen ihre Arbeit erheblich erschwert.

Einzelschicksale zeigen auf, wie schwierig die Lage auch im doch sehr kleinem Österreich ist. Zum Glück gibt es immer wieder einzelne Betriebe, die dabei helfen, dass Menschen passend angestellt werden und ihnen somit einen Ausweg aus der Abhängigkeitsfalle ermöglichen…

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