In Österreich sind laut Regierung rund 200 Kinder pro Jahr von Zwangsehe betroffen – die Dunkelziffer dürfte jedoch viel höher sein. Außerdem könnten theoretisch verheiratete Mädchen hier leben, die jünger als 16 Jahre alt sind. Genau weiß man das nicht, da keine Zahlen zu dem Thema erhoben werden. Immerhin werden in der Politik die Rufe nach einer Reform des Ehemündigkeitsgesetzes immer lauter.
Ehemündigkeit in Österreich
Grundsätzlich kann man sagen, je ärmer ein Land ist, desto häufiger werden minderjährige Mädchen an meist viel ältere Männer verheiratet. Die höchsten Zahlen an Kinderehen haben Bangladesch, Brasilien, Äthiopien, Indien und Nigeria. In Österreich untersagt das Gesetz Kinderehen, eine Eheschließung ist ab der Volljährigkeit, also ab 18 Jahren, möglich. Allerdings dürfen Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, heiraten, sofern beide Eltern schriftlich vor einem Notar zugestimmt haben und der Ehepartner zumindest 18 Jahre alt ist. Ob die 16- oder 17-jährige die Ehe auch freiwillig eingeht, wird nicht geprüft – eine Unterschrift der Eltern genügt. Schon bei dieser Ausnahme handelt es sich laut Definition von UNICEF um eine Kinderehe: „Eine Kinderehe ist eine formale Eheschließung, bei der mindestens einer der Partner unter 18 Jahre alt ist“. Außerdem gibt es auch unter 16-jährige in Österreich, die verheiratet sind – wie das?
Im Ausland geschlossene Ehen
In Österreich gilt das Eherecht des Herkunftslandes, im Ausland geschlossene Ehen sind also gültig, außer einer der Partner ist jünger als 14 – das ist nämlich das Mindestalter für sexuelle Kontakte. Nur, wenn bei über 14-jährigen das Kindeswohl gefährdet ist, verstößt die Ehe gegen die Grundwerte der österreichischen Rechtsordnung und muss aufgelöst werden.
200 Betroffene in Österreich
In Österreich spricht man von etwa 200 betroffenen Kindern, die Dunkelziffer dürfte jedoch viel höher sein. Genaue Zahlen gibt es in Österreich nicht.
Bei einer Statistik in Deutschland aus dem Jahr 2016 wurde erfasst, dass zu dem damaligen Zeitpunkt 1475 minderjährige Ausländerinnen verheiratet waren. 994 der Verheirateten waren zwischen 16 und 18 Jahre alt, 361 verheiratete Kinder jünger als 16 Jahre. Die meisten minderjährigen Verheirateten stammten nicht nur aus Syrien und Afghanistan, sondern auch aus europäischen Ländern wie Bulgarien, Griechenland, Polen und Rumänien. Als Konsequenz dieser Statistik wurde das Gesetz geändert, seit 2017 ist das Ehemündigkeitsalter ausnahmslos auf 18 Jahre festgesetzt.
Hunderte Zwangsehen in Ö: Zehn Millionen Mädchen von Kinderheirat bedroht (kleinezeitung.at)
Die Politik ist gefragt
Es ist verwunderlich, dass die Regierung darüber, wer in Österreich in welchem Alter heiratet, keine Daten erfasst. Schon 2021 forderten Abgeordnete Zahlen zu der Thematik. Seither ist nichts dergleichen geschehen. NEOS-Jugendsprecher Yannick Shetty fordert die Streichung der Ausnahme und ein striktes Mindestalter von 18 Jahren – nach deutschem Vorbild. Justizministerin Zadic kündigte zwar letztes Jahr eine Reform des Ehe- und Partnerschaftsrechts, doch die Reformen seien nach wie vor in „politischer Abstimmung“.
Hilfe für Betroffene
Mädchen und Frauen, die in einer Zwangsehe leben, können sich bei verschiedenen Organisationen Hilfe holen. In Wien gibt es einige gemeinnützige Vereine, die sich für Frauenrechte einsetzen, darunter natürlich auch „Hope for the Future“. Auch das Kinderschutzzentrum „Die Möwe“ kann für Opfer von Kinderehen eine Anlaufstelle sein. Die Caritas leitet in Graz eine Beratungsinitiative namens „DIVAN“ welche spezialisiert ist auf Beratung für Betroffene von Gewalt im Namen der Ehre und Zwangsheirat. In Innsbruck gibt es den Verein „Frauen aus allen Ländern“.
Laut Frauenministerin Raab hat nach den zahlreichen Femiziden in den letzten Jahren „Gewaltschutz oberste Priorität“. Ziel ist es, die Beratungsstellen (LINK) für Frauen im ganzen Land „massiv auszubauen“. Diese Beratungsstellen sollen die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen im Fokus haben, Frauen und Mädchen dazu ermächtigen, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Außerdem wird ein Schwerpunkt auf den Bereich sexualisierte Gewalt gelegt.
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